Die Lizenz zum Abhören

Neues Polizeigesetz von Rot-Rot-Grün weitet Befugnisse zur Telefonüberwachung massiv aus

  • Philip Blees
  • Lesedauer: 3 Min.

Rot-Rot-Grün geht in den Gesetzes-Marathon: Nach dem Antidiskriminierungsgesetz, dem Gesetz zur Versammlungsfreiheit und dem Entwurf zum Polizeibeauftragten kommt nun der nächste innenpolitische Streich. »Wir sehen uns ja jetzt öfters«, witzelt Innensenator Andreas Geisel (SPD), als er am Montagmorgen im Abgeordnetenhaus das langersehnte Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) vorstellt. Dieses ist seinem Urteils nach »modern« und »macht die Polizei handlungsfähig«.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, lobt dann auch die »umfassende Änderung des Gesetzes«. Dass diese im Gegensatz zu anderen Bundesländern kaum von bürgerrechtlichem Protest begleitet wurde, liegt laut Innenpolitiker Niklas Schrader (Linke) auch daran, dass der Gesetzesentwurf nicht nur eine Ausweitung von polizeilichen Befugnissen vorsehe, sondern auch eine Stärkung der Bürgerrechte.

»Wir regeln den Umgang mit den kriminalitätsbelasteten Orten neu«, erklärt Schrader. Heißt: Die polizeilichen Befugnisse im Hinblick auf die sogenannten KBOs werden eingeschränkt. Bisher dürfen Polizist*innen hier verdachtsunabhängig Personen kontrollieren. Die Orte werden von der Polizei selbst festgelegt und müssen nur im Falle einer Gerichtsverhandlung begründet werden - anders ist die Maßnahme bislang politisch kaum zu kontrollieren, da die Orte nicht veröffentlicht werden müssen. Mit dem ASOG wird die Polizei verpflichtet, die Orte zu umschreiben und dem Abgeordnetenhaus einen regelmäßigen Bericht mit Begründung der Maßnahme vorzulegen. Begründet werden darf die Einstufung als KBO zudem nicht mehr mit der Anhäufung von aufenthaltsrechtlichen Straftaten. »Das ist eine Norm, die Racial Profiling begünstigen kann«, kritisiert Schrader. Damit soll nun Schluss sein. Auch Prostitution darf in Zukunft kein Grund mehr sein.

Bei der Kennzeichnungspflicht wird die gängige Praxis nun gesetzlich geregelt. Die Pflicht, dass sich Beamt*innen ausweisen müssen, ist momentan nur durch Dienstvorschriften geregelt. In Brandenburg wurde deswegen bereits geklagt - das Gericht bestätigte die Pflicht mit Verweis auf die gesetzliche Grundlage. Diese wird in Berlin nun nachgeliefert.

Mehr politische Verantwortung bekommt die Polizeipräsidentin: Sie muss den Einsatz von Vertrauenspersonen und Telekommunikationsüberwachung bestätigen und ist damit für die Maßnahmen auch rechtlich belangbar. »Das bedeutet eine größere Legitimation«, meint Innenexperte Schrader. Neben Barbara Slowik muss auch ein Richter diesen umstrittenen Methoden zustimmen.

Die Überwachung der Kommunikation ist vor allem der SPD wichtig: »Die Polizei erhält wichtige zusätzliche Befugnisse zur Terrorabwehr«, so ihr innenpolitischer Sprecher Frank Zimmermann. Telefonüberwachung samt Nutzung von Imsy-Catchern, verpflichtender Mitarbeit der Telekommunikationsanbieter sowie Standortabfragen dürfen nun zur unmittelbaren Gefahrenabwehr benutzt werden. Hinzugefügt wurde der Paragraf als Konsequenz aus dem Terroranschlag am Breitscheidplatz.

Doch die Befugnisse der Polizei gehen noch weiter: »Die Einführung der Body-Cams wird schon einige Zeit erwartet«, so der Innensenator. Nun wird sie gesetzlich verankert. Zukünftig sollen Polizist*innen, aber auch Feuerwehrleute Kameras am Körper tragen, die durchgehend filmen, jedoch Material nur speichern, wenn ein Knopf gedrückt wird. Das soll die Einsatzkräfte vor Übergriffen schützen.

In anderen Bundesländern und bei der Bundespolizei gibt es dazu bereits Tests, die von Bürgerrechtler*innen kritisiert werden. »Wir gehen einen anderen Weg«, meint Schrader, der sich zunächst auch gegen die Body-Cams ausgesprochen hatte. In der Hauptstadt soll die Kamera beidseitig verwendbar sein - für Polizist*innen und Bürger*innen. Letztere könnten verlangen, dass gefilmt wird, wodurch auch polizeiliches Fehlverhalten aufgezeichnet werden könne. Die Ton- und Bildaufnahme würde immer 30 Sekunden vor Drücken des Knopfes gespeichert.

Bis die Kräfte auch wirklich mit der Technik ausgerüstet sind, wird es allerdings noch dauern. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2021 in Kraft treten. Alle Regelungen werden dann nach und nach umgesetzt.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal