Das Schweigen von Señor X

CIA-Dokumente entlarven Felipe González in Spanien als Todesschwadronen-Chef

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Druck auf den ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten Felipe González (1982-1996) steigt. Dass nun auch freigegebene Dokumente des US-Geheimdienstes CIA den früheren Chef der spanischen Sozialdemokraten (PSOE) als »Señor X« bezeichnen, der hinter den staatlichen Todesschwadronen stand, führt zum politischen Sturm in der Partei und der Regierung. »Die PSOE muss Felipe González sagen, dass es reicht«, hat der Generalsekretär der baskischen PSOE-Sektion Eneko Andueza am Dienstag im Interview mit Euskadi Irratia erklärt. Andueza von der PSE-EE will González aus der Partei werfen. Ohnehin befände sich González, der auch gegen die Minderheitsregierung in Madrid mit dem Koalitionspartner Unidas Podemos (UP) ankämpft, »weit entfernt« von der Partei und sei nicht »loyal« zur Regierung von Pedro Sánchez. Wer etwas mit den sogenannten »Grupos Antiterroristas de Liberación« (GAL) zu tun habe, »muss dafür bezahlen, das sind wir den Opfern schuldig«, fügte Andueza an.

Nicht alle in der PSOE sehen González’ Wirken so kritisch wie Andueza. Parteisprecherin Adriana Lastra hat am Montag dem Mann die Unterstützung der Partei zugesichert, der nach Angaben des US-Geheimdienstes CIA »die Gründung einer Söldnertruppe, unter Führung des Militärs, zur Terrorismusbekämpfung außerhalb der Gesetze« in einem »schmutzigen Krieg« abgesegnet hat. In Madrid tut man sich noch immer schwer mit der Aufarbeitung der dunklen Vorgänge. Lastra lehnt die Forderungen der Linkskoalition EH Bildu (Baskenland Vereinen) ab, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Denn für EH-Bildu-Sprecherin Mertxe Aizpurua ist klar, dass »schwere Verbrechen nicht ungestraft bleiben dürfen«. Das Problem für Sánchez ist, dass praktisch alle seine Unterstützer - auch der Koalitionspartner UP - den Antrag unterstützen wollen, um »Verantwortlichkeiten zu klären«.

Auch von Angehörigen wird Druck gemacht. So von Maider García, ihr Vater war eines der letzten GAL-Todesopfer. Sie fordert »Aufklärung über den Staatsterrorismus« und von der »PSOE die öffentliche Anerkennung«. Juan Carlos García Goena war Antimilitarist, der sich durch Flucht ins französische Baskenland dem spanischen Wehrdienst entzogen hatte. Wie andere GAL-Opfer hatte er mit der Untergrundorganisation ETA nichts zu tun.

Letztlich bestätigen die Dokumente nur ein offenes Geheimnis. González selbst hatte in einem Interview schon 2010 eingeräumt, dass er alle wichtigen Entscheidungen in Fragen des Antiterror-Kampfs getroffen hat. Dass seine Regierung tief in die GAL verstrickt war, ist längst auch gerichtsfest. Söldner wie José Luis Morcillo, der den Kinderarzt und Linkspolitiker Santi Brouard in Bilbao 1984 ermordete, haben vor Richtern bestätigt, dass Aufträge und Bezahlung von der Guardia Civil kamen. Unter Führung der Paramilitärs agierten Söldner, Polizisten, Rechtsradikale und Kriminelle in den 1980er Jahren. Prominent wurde der General Enrique Rodríguez Galindo wegen Doppelmord zu 75 Jahren Haft verurteilt. Als die PSOE 2004 erneut an die Macht kam, bekam Galindo für seine Dienste sofort Freigang und wurde nach nur vier Jahren in Haft auf Bewährung entlassen.

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