Ja zur Maske

Sonntagmorgen

  • Volker Surmann
  • Lesedauer: 3 Min.

So langsam haben sich die meisten ja ans Maskentragen gewöhnt. Und die anderen sind einfach dumm. Wie die junge Frau im Einkaufszentrum neulich, die ihren Mundschutz zielgenau unterm Zinken trug, was die Verkäuferin zum freundlichen Hinweis veranlasste, dies zu ändern. Darauf die Kundin, unwirsch: »Ich darf das so tragen, ich bin schwanger!«

Aber die Verkäuferin reagierte cool und erwiderte bloß: »Ach, tragen Sie Ihr Kind im Nasenflügel aus, na dann viel Spaß!« Das Bild der Nasenflügelschwangerschaft bekomme ich seitdem nicht mehr aus dem Kopf.

Ich weiß gar nicht, was die Leute gegen Masken haben. Jahrelang lief es doch so:

Die Mode: »Hey, wir verkleiden uns alle mal wie Landstreicher, lassen uns wilde Bärte stehen und tragen zig Schichten übereinander!« - Die Menschen: »Ja, geil, tolle Idee, machen wir mit! Clochard look is voll fancy!« Darauf die Mode: »Nee, andere Idee, wir verkleiden uns wie unsere Großeltern, setzen ihre Brillen auf, tragen Faltenröcke und färben uns die Haare silbergrau!« Die Menschen: »Ja, geil, machen wir mit! Granny look rulez!« Und dann rief die Notwendigkeit: »Hey, nein, wir verkleiden uns alle mal wie medizinisches Personal!« Und die Leute: »Menschenwürde! Grundrechte! Bill Gates!« - Was fürn Irrsinn!

Ich finde Masken okay. Manchmal auch ein bisschen mehr als okay. Nach ein paar Wochen Feldstudie muss ich einräumen: Ich finde Männer mit Masken attraktiv. Nicht alle, aber doch viel mehr als vorher. Vielleicht entwickle ich da gerade einen neuen Fetisch.

Ich sehe, seit sie alle Masken tragen, in der S- und U-Bahn wesentlich mehr attraktive Männer. Also wieder. Es gab mal Zeiten, lang ist’s her, da konnte ich durch Berlin nur mit Hormonstau gehen. Überall attraktive Männer. Dann kamen die Bärte: kratzige Ganzgesichtsfelle, Hipster-Vollbärte, und dann wurde auch noch der Schnauzbart aus dem Armengrab der Modegeschichte exhumiert. Selbst das Gesicht des attraktivsten Beaus wird durch einen Tom-Selleck-Schenkelbesen nichts als entstellt. Mund-Nasen-Schutz drüber: Zack, geile Sau again!

Und manch einem Männergesicht verleiht so eine Maske auch etwas wohltuend Androgynes. Find ich nicht schlecht: Wenn auch der maskierte Vollbartprolo mit den sanft geschwungenen Augenbrauen mal versehentlich von ‘nem anderen Kerl angeflirtet wird.

Außerdem gibt es einfach Menschen, denen man schon am Mund ansieht, dass da seit dem Spracherwerb nichts Vernünftiges mehr rausgekommen ist. Großmäuligkeit hinterlässt hässliche Falten im Mundwinkel. Maske drüber. Zack, hilft!

Ist so: Wenn man eingeborenen Berlinern allein in die Augen schauen kann, wirken sie schon viel freundlicher! Deswegen heißt es ja Berliner Schnauze und nicht Berliner Augen!

Und mit aufgesetzten Masken reden die Menschen ja auch viel weniger. Wahre Schönheit liegt ja oft auch im Ohr des Betrachters! Und wenn sie doch reden, dann versteht man sie viel schlechter, das macht Menschen oftmals auch viel attraktiver.

Also eine Welt mit Masken - ich könnte mich dran gewöhnen.

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