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Anne Spiegel: Demokratietraining für die Versager
Christoph Ruf über die neue Anstellung einer Grünen-Politikerin in Hannover
In der vergangenen Woche hat eine der mutmaßlich unfähigsten und charakterlich ungeeignetsten Personen des deutschen Politikbetriebs wieder einen Job bekommen: Anne Spiegel (Grüne) verdient als Sozialdezernentin des Großraums Hannover künftig 11 650 Euro monatlich.
Wir erinnern uns: Ahrtal, Flutkatastrophe. Unmittelbar danach fuhr die Ministerin, von der bis heute niemand weiß, was sie in der Unglücksnacht getan hat, für vier Wochen in den Urlaub. Zuvor hatte ihr Krisenmanagement darin bestanden, ihrem Presseteam wegen eines Schreibens (»Konnte nur kurz draufschauen«) an Campingplatz-Betreiber in Ufernähe einen einzigen Hinweis mitgegeben zu haben. »Bitte noch gendern: CampingplatzbetreiberInnen. Ansonsten Freigabe.« Danach wurde eine SMS an ihren Pressesprecher publik: »Wir brauchen ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben, wir alle Daten immer transparent gemacht haben, ich im Kabinett gewarnt habe.« Und der Adlatus gab brav weiter: »Anne braucht eine glaubwürdige Rolle.« Schwierig.
Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.
Fast so schwierig, wie sich vorzustellen, dass ein Mensch mit Spiegels Leistungsbilanz irgendwo im echten Leben wieder einen gut bezahlten Job gekriegt hätte. Aber in der Politik läuft das anders. Demjenigen, der fachlich und charakterlich blankgezogen hat, bleibt immer noch das, was wirklich wichtig ist: sein Parteibuch. Und so wurde Spiegel in Hannover unter 46 Kandidatinnen und Kandidaten ausgewählt. Auf Vorschlag, na so was, einer Grünen-Politikerin.
Man mag sich also gar nicht vorstellen, wie ungeeignet die anderen 45 Kandidaten waren, denn natürlich ging es nur um Spiegels überragende Expertise, von der sie in ihrer Vorstellungsrede eine Kostprobe lieferte. In der, entnehme ich der Tagespresse, »erklärte Spiegel, die Arbeit ihrer Vorgängerin fortsetzen zu wollen, und bediente sich ansonsten an Allgemeinplätzen«. Das klingt doch schon mal prima. Spiegel verwaltet künftig einen Etat von zwei Milliarden Euro. 1000 Menschen arbeiten ihr zu, die hoffentlich künftig brav gendern werden. Man darf ihnen darüberhinaus wünschen, dass die niedersächsischen Flüsse in ihrem Flussbett bleiben.
Traurigerweise ist Spiegel nur das plastischste Beispiel für die grassierende parteiübergreifende Schamlosigkeit. Jens Spahn (CDU), der während Corona Milliarden verschwendet hat, amtiert immer noch. Andreas Scheuer (CSU) wurde ebenfalls stets protegiert. Und wozu ehemalige Kanzler ein steuerfinanziertes Büro brauchen, erschließt sich mir eh nicht. Genehmigt sind vier Mitarbeiter. Olaf Scholz (SPD) beschäftigt acht, Angela Merkel (CDU) gar neun. Wenn Sie wollen, googlen Sie mal ein paar Politversager der vergangenen Jahre. Einfach mal mit »Pofalla« anfangen. Sie werden sehen: Alle sind weich gefallen.
Über die AfD ist jedes Wort eines zu viel. Aber dass Menschen, die sich lieber einen Finger abhacken würden, als diese Partei zu wählen, vom real existierenden Politbetrieb abwenden, kann eigentlich nur letzteren wundern. Es spricht deshalb nichts dagegen, jungen Menschen Demokratietrainings zu verordnen. Aber die wären wirksamer, wenn die Spiegels und Spahns dieser Republik die auch schon mal besucht hätten.
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