Intransparente Corona-Verordnung

Linke-Abgeordneter sieht Parlament nicht ausreichend über Folgen der Grundrechtseingriffe informiert

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Auswirkungen der Corona-Eindämmungsverordnungen sind enorm. Seit Monaten bestimmen sie das tägliche Leben. Um das Infektionsgeschehen möglichst schnell einzudämmen, wurden vom Senat auch wichtige Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt. Die Beschlüsse, die ohne Faktenbasis getroffen wurden, bereiteten nicht wenigen Politikern in Regierungsverantwortung schlaflose Nächte. Eine faktische Ausgangssperre von Rot-Rot-Grün verhängt? Das seien doch Methoden einer Militärdiktatur, war zu hören.

Klar ist: Die Maßnahmen waren geeignet, die Ausbreitung des Coronavirus in Berlin stark zu verlangsamen. Um die genauen Folgen der Senatspolitik einschätzen zu können, wollte der Linkspartei-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg jetzt vom Senat wissen, inwieweit mit der Eindämmungsverordnung zusammenhängende »Ordnungswidrigkeitstatbestände sowie auf dieser Grundlage ergangene Bußgelder« erfasst werden. In der Antwort der Senatsgesundheitsverwaltung von Dilek Kalayci (SPD) auf die noch unveröffentlichte Schriftliche Anfrage des Abgeordneten, die »nd« vorab vorliegt, heißt es: »Die Sars-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung wurde und wird hinsichtlich der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten von den Bezirken in eigener Verantwortung vollzogen.« Soll heißen: Der Senat macht den Bezirken keine Vorgaben für die Erfassung und Aufbereitung der Verwaltungsvorgänge. »Eine automatisierte und anlasslose Meldung festgestellter Verstöße gegen die Sars-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung an den Senat fand und findet nicht statt«, erklärt Gesundheitsstaatssekretär Martin Matz in der Antwort. Detaillierte statistische Auswertungen hält der Senat zudem für »sehr personalintensiv«. Ingesamt lasse sich aber feststellen, dass »durch eine Verbesserung der statistischen Aufbereitung die tatsächliche Vollzugstätigkeit nebst der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten aufgrund des dann anderweitigen Personaleinsatzes deutlich an Effizienz verlieren würde«. Überwachung und Einhaltung sollen die Bezirke also umsetzen, aber ausgewertet sollen die Folgen offenbar nicht.

Für den Abgeordneten Schlüsselburg verstößt der Senat damit gegen seine Informationspflichten, zugleich wird das Kontrollrecht des Parlaments ausgehebelt. »Die Corona-Verordnungen enthalten teilweise erhebliche Grundrechtseingriffe und ahnden Zuwiderhandlungen als Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern«, sagt Schlüsselburg. Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion fordert, dass es gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit »transparent und nachvollziehbar gemacht« werden müsse, wie viele Verstöße es gab und wie viele Bußgelder in welcher Höhe verhängt wurden. Auch der Personaleinsatz für die Kontrollen müsse dargelegt werden. Schließlich sei der Senat durch die im Eiltempo erlassenen Vorgaben in besonderem Maße in einer Legitimationspflicht. Und was bei Verkehrsordnungswidrigkeiten kein Problem sei, müsse doch auch beim Infektionsschutz möglich sein.

»Nur so kann das Parlament sich ein Bild von den Rechtsfolgen machen und bei der Beratung der Verordnung im Parlament abwägen«, sagt Schlüsselburg. Die Abgeordneten können dann entscheiden, ob sie die Verordnung lediglich zur Kenntnis nehmen oder ob sie den Senat ersuchen, die Verordnung anzupassen. Im äußersten Fall könnte das Parlament auch beschließen, dem Senat die Gesetzgebungskompetenz zu entziehen. Der Rechtsexperte der Linksfraktion erwartet, dass der Senat bis zur nächsten Sitzung des Rechtsausschusses des Abgeordnetenhauses »vollständige Transparenz« herstellt.

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