Wahre Heldinnen

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Jedes Mal, wenn ich an dem Findling vorbeikomme, ärgere ich mich: »Unserm Bismarck, die Bürger Weißensees«, steht da. Aufgestellt wurde er zu dessen 10. Todestag. Bismarck-Gedenksteine gibt’s zuhauf in Deutschland. Mit »Black Lives Matter« geht es nun hierzulande auch dem »Eisernen Kanzler« an den Kragen, obwohl kein expliziter Befürworter kolonialer Expansion. Gleichwohl er die Berliner Konferenz, auf der die Großmächte Afrika untereinander aufteilten, als Hausherr leitete. Helgoland war ihm wichtiger als Sansibar, weshalb er die Insel im Süden bei den Briten gegen das Eiland im Norden eintauschte.

In Bristol wurde im Juni die Bronzestatue Edward Colstons, im 17. Jahrhundert führendes Mitglied der Royal African Company, die in England das Monopol für den Handel mit Gold, Silber, Elfenbein und Sklaven an der afrikanischen Westküste innehatte, gestürzt und im Hafenbecken entsorgt. Für Premierminister Boris Johnson ein »krimineller Akt«, doch People of Color, die seit Jahr und Tag mit dieser Zumutung leben mussten, jubeln. Den bereinigten Sockel bestieg nun ein zweites Mal die Aktivistin Jen Reid, diesmal nicht in persona, sondern als Kunstwerk. »Surge of Power«, »Das Wachsen der Macht«, nennt der britische Bildhauer Marc Quinn seine Arbeit, die die junge, kämpferische Frau nach dem Denkmalsturz zeigt. Keine 24 Stunden stand ihr Abbild trotzig hoch droben. Der Stadtrat ließ es entfernen. Solch Ignoranz und Arroganz schreit nach erhobener Faust. Gut wäre es, wenn jetzt alle verwaisten Podeste gekrönt würden von Held*innen unserer Tage, etwa dem Whistleblower Edward Snowden, Seenotretterinnen wie Carola Rackete oder der Klimaschützerin Greta Thunberg. ves

Foto: dpa/Matt Dunham

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