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»Über Einsamkeit muss gesprochen werden«

9,1 Prozent der in Privathaushalten lebenden Personen im Alter zwischen 40 und 89 Jahren fühlen sich einsam

  • Jörg Schurig, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Dresden. Die Corona-Pandemie hat viele Probleme offengelegt und manche davon auch verschärft. Zum Beispiel das der Einsamkeit. Menschen in Pflegeheimen konnten wochenlang keinen Besuch empfangen, Familien nicht mehr zusammenkommen, Nachbarn sich nur noch aus der Ferne grüßen. Für alle war das eine schwere Last. »Einsamkeit empfinden nicht nur ältere Menschen, auch junge Menschen können einsam sein«, sagt Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) und spricht von einer gesamtgesellschaftliche Herausforderung: »Denn Einsamkeit macht Menschen krank und es gibt eine hohe Zahl von Betroffenen.«

Die sächsische Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann (Linke) hat die Bundesregierung im Herbst 2019 nach Zahlen zum Ausmaß des Problems in Deutschland gefragt. Aus der Antwort ging hervor, dass sich 9,1 Prozent der in Privathaushalten lebenden Personen im Alter zwischen 40 und 89 Jahren einsam fühlen. »Wenn man das auf die entsprechende Altersgruppe bezieht, reden wir in Sachsen von rund 220.000 einsamen Menschen«, sagt Zimmermann. Eine andere Studie habe ergeben, dass sich bundesweit jeder Fünfte im Alter über 85 einsam fühlt. Für Sachsen wären das dann knapp 30.000 Betroffene.

Nach Einschätzung Zimmermanns wird Einsamkeit von vielen Faktoren bestimmt: »Es gibt einen deutlichen Zusammenhang zwischen Armut und Einsamkeit. Mit geringem Einkommen können sie einfach weniger unternehmen und sind von vielen kostenpflichtigen Angeboten ausgeschlossen.« Zugleich sinke die Anzahl von sozialen Kontakten bei geringem Einkommen. Die Armutsgefährdung von Rentnern und Pensionären sei in Sachsen von neun Prozent im Jahr 2005 auf 13,9 Prozent in 2018 angestiegen: »Das heißt, rund jeder siebte im Ruhestand ist von Armut betroffen.«

Zimmermann macht geltend, dass auch Umstände wie Krankheit und mangelnde Mobilität zu Einsamkeit führen können. Betroffenen bleibe häufig ein Besuch im Theater oder von Sportveranstaltungen verwehrt. »Die Gefahr zu vereinsamen ist natürlich für Alleinstehende und Ältere ohne Kinder größer. Zudem gibt es oft das Problem, dass die Kinder wegen der Arbeit Sachsen verlassen haben und dadurch kein enger Kontakt zu den Eltern mehr besteht oder nur schwer möglich ist«, meint die Politikerin. Die Diakonie Sachsen nennt an erster Stelle der Einsamen all jene, deren Lebenspartner gestorben sind.

Petra Köpping, deren Ministerium auch für gesellschaftlichen Zusammenhalt zuständig ist, will in den kommenden Jahren einen »großen gemeinsamen Wurf« von sächsischer Sozial- und Gesundheitspolitik wagen: »Dörfer, Städte, Landkreise, Krankenkassen, Verbände, Krankenhäuser, Pflegedienste und viele, viele mehr - wir alle tragen gemeinsam ein Stück Verantwortung dafür, dass Menschen in unserem Land glücklich leben können. Und damit sorgen wir auch dafür, dass Sachsen daraus Kraft für einen neuen gesellschaftlichen Zusammenhalt gewinnt.«

Die Diakonie geht das Problem ganz praktisch an. »Jede Kirchgemeinde hat einen ehrenamtlichen Besuchsdienst, der ältere und einsame Gemeindemitglieder regelmäßig besucht und diesen Besuchsdienst aber auch auf kirchenferne alte Menschen ausdehnen wird - wenn dies von den Betroffenen gewünscht wird«, berichtet Diakonie-Sprecherin Sigrid Winkler-Schwarz. In den Kirchgemeinden würden auch regelmäßige Seniorentreffs, Ausflüge und anderes angeboten: »Die Kirche bietet also mehrere Möglichkeiten an, bei denen Senioren Gemeinschaft erleben können.«

Zimmermann hält es für notwendig, das Thema aus der Tabuzone herauszuholen: »Über Einsamkeit muss gesprochen werden, in der Familie und in der Gesellschaft. Da wäre zum Beispiel eine Kampagne in Form von Fernseh-, Radiospots oder Zeitungsanzeigen sinnvoll, von der Bundesregierung oder auch der sächsischen Regierung. Damit das Problem überhaupt ankommt und klar wird, alle müssen etwas tun.« Dreh- und Angelpunkt im Kampf gegen Einsamkeit seien die Kommunen, die vom Bund und Land ausreichend unterstützt werden müssten: »Mir schwebt vor, dass es vor Ort zu richtigen Bündnissen gegen Einsamkeit kommt.« dpa/nd

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