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Es gibt keine Sicherheit
Simon Poelchau über Mängel bei der Corona-Eindämmung
Wer derzeit am Abend durch die Partymeilen Berlins und anderer Metropolen hierzulande streift, merkt, dass es keine Ballermann-Rückkehrer*innen aus Mallorca für eine zweite Coronawelle braucht. Nachdem in den öffentlichen Verkehrsmitteln und Geschäften die Masken bei vielen Mitmenschen immer weiter nach unten wanderten, wird nun vielerorts auch wieder gefeiert wie vor der Pandemie.
Da gerät es fast schon zur Nebensache, dass die Corona-Warn-App nicht richtig funktioniert, weil offenbar mehr Energie in ihre Bewerbung als in ihre Programmierung gesteckt wurde. Doch wer nun Angst hat, vom eigenen Smartphone nicht genügend vor Risikokontakten gewarnt worden zu sein, weil es ein teures und schickes iPhone ist, der begeht einen gravierenden Denkfehler: Es bedarf sicherlich keiner sozio-epidemologischer Studien, um den begründeten Verdacht zu haben, dass die staatliche Corona-Warn-App einen ganz anderen Konstruktionsfehler hat. Rund 16 Millionen Nutzer*innen haben sich die App mittlerweile auf ihre Smartphones geladen. Das heißt, dass es die überwiegende Mehrheit hierzulande noch nicht gemacht hat. Und der Verdacht liegt nahe, dass ausgerechnet diejenigen nicht die App haben, die weniger risikobewusst sind. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass das Handy nur jene Menschen »sieht«, die sich und ihr Umfeld sowieso mehr vor einer Infektion schützen, und die Nutzer*innen automatisch in einer trügerischen Sicherheit wiegt, die es so nicht gibt.
Diese Überlegung darf nicht zur Forderungen nach einer Test- und App-Pflicht führen. Denn so etwas steht im krassen Widerspruch zu den Prinzipien eines freiheitlichen Rechtsstaats. Doch sollte jede*r sich gründlich überlegen, wie viel Risiko für sich und die Liebsten zur Befriedigung des eigenen Hedonismus gerechtfertig ist.
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