Detektiveinsatz zur Aufklärung von Arbeitszeitbetrug?

Coronabedingtes Homeoffice

  • Prof. Dr. Michael Fuhlrott
  • Lesedauer: 3 Min.

In diversen Medien mehren sich jüngst Berichte über Fälle von Arbeitnehmer*innen, die trotz angeordneter Arbeit im Homeoffice kaum noch erreichbar sind bzw. sogar während ihrer Arbeitszeit Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern nachgehen, um sich so ihren Verdienst »aufzubessern«.

Arbeitszeitbetrug kann fristlose Kündigung rechtfertigen

Wer im Homeoffice seine Arbeitszeit eigenmächtig reduziert, weil es keiner bemerkt, begeht eine erhebliche Pflichtverletzung. Diese stellt regelmäßig einen sogenannten wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar und kann selbst im erstmaligen Fall eine außerordentlich fristlose Kündigung nach sich ziehen. Arbeitsrechtler sprechen dann von einem Arbeitszeitbetrug zu Lasten des Arbeitgebers.

Sicherlich muss es sich dabei um mehr als ein paar Minuten handeln, die einmal versehentlich zu wenig gearbeitet werden. Wer hier aber bewusst handelt, riskiert damit seinen Arbeitsplatz (siehe zum Beispiel Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Juni 2011, Az. 2 AZR 381/10).

Arbeitgeber ist beweispflichtig für Pflichtverletzung

Der Arbeitgeber muss allerdings in einem späteren Kündigungsschutzprozess den Arbeitszeitbetrug darlegen und ihn im Zweifelsfall beweisen. Es wird nicht genügen, dass der Arbeitnehmer schlecht erreichbar war oder am Vormittag beim Bäcker gesehen wurde.

Der Arbeitnehmer wird im Homeoffice seine Pausen regelmäßig selbst einteilen können. Vorgaben des Arbeitgebers wie zum Beispiel feste Zeiten für eine Erreichbarkeit oder tägliche Abstimmungsmeetings per Telefon oder Video dürfen aber angeordnet werden. Wird der Arbeitnehmer aber während seiner Arbeitszeit bei einem zweistündigen Einkaufsbummel beobachtet oder geht er sogar einem Zweitjob bei einem Dritten nach, ist die Grenze definitiv überschritten.

Detektiveinsatz nur bei konkretem Verdacht

Der Einsatz eines Detektivs zur Gewinnung von Beweismitteln einer Pflichtverletzung ist im deutschen Arbeitsrecht aber nur ausnahmsweise möglich. So erlaubt das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) einen solchen Einsatz gemäß § 26 Absatz 1 nur dann, wenn konkrete Verdachtsmomente eines Arbeitszeitbetrugs im Raume stehen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft im Homeoffice kaum erreichbar ist, dafür keine Erklärung abgeben kann und insbesondere noch weitere Umstände wie etwa eine stark verminderte Produktivität hinzutreten. In einem solchen Fall kann ein Detektiveinsatz, also eine heimliche Überwachung des Arbeitnehmers ausnahmsweise zulässig sein.

Konsequenzen unzulässiger Überwachung

Doch Vorsicht: Insbesondere eine anlasslose Überwachung von Arbeitnehmern aufs Geratewohl, also ins Blaue hinein, ohne einen solchen auf Tatsachen gestützten Verdacht, stellt eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung des Betroffenen dar. Selbst wenn sich in einem solchen Fall eine Pflichtverletzung durch die anlasslos durchgeführte Überwachung dokumentieren lässt, wird diese als Beweismittel in einem Arbeitsgerichtsverfahren regelmäßig nicht verwertet werden dürfen, wie das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung (zum Beispiel Urteil des BAG vom 29. Juni 2017, Az. 2 AZR 597/16) urteilt. Daneben drohen dem Arbeitgeber auch empfindliche Bußgelder der jeweiligen datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde.

Der Autor ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei FHM - Fuhlrott Hiéramente & von der Meden Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB - sowie Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg.

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