Wer muss jetzt Steuern zahlen?

Rentenbesteuerung nach der Rentenerhöhung zum 1. Juli 2020

  • Dr. Rolf Sukowski
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Renten sind zum 1. Juli 2020 um 4,2 Prozent im Osten und 3,45 Prozent im Westen gestiegen. Ob es 2021 noch einmal so eine Erhöhung der gesetzlichen Rente geben wird, weiß niemand so genau. Sicher dagegen ist dies: Immer mehr Rentner müssen aufgrund der Erhöhung Steuern zahlen.

Wie kommt es, dass die Renten in diesem Jahr noch einmal so deutlich erhöht wurden? Die Corona-Krise hat uns womöglich so im Griff, dass wir beinahe vergessen haben, wie positiv die Lohnentwicklung zuvor verlaufen ist. Von der guten Lohnentwicklung im vergangenen Jahr können jetzt die Rentner noch einmal profitieren.

Mehr Rentenplus kann den Grundfreibetrag übersteigen

Der »Zuschlag« zur Rente hat wie jedes Jahr auch Nebenwirkungen. Wie das Bundesfinanzministerium mitteilte, müssen über 51 000 Rentner wegen der Rentenerhöhung 2020 erstmals Steuern zahlen. Der Grund dafür: Jede Rentenerhöhung wird zum steuerpflichtigen Rentenanteil hinzugerechnet. Dadurch übersteigen bei vielen Ruheständlern die steuerpflichtigen Rentenzahlungen den Grundfreibetrag. Somit werden sie wieder steuerpflichtig. In jedem Fall muss man eine Steuererklärung einreichen. In vielen Fällen ist dabei auch mit einer Steuernachzahlung zu rechnen.

Rentner sollten nicht abwarten, bis das Finanzamt sich bei ihnen meldet. Dies könne im Zweifel teuer werden. Mehr noch: In den letzten Wochen wurden verstärkt Rentner vom zuständigen Finanzamt - mitunter unter Androhung von Zwangsgeld - aufgefordert, Steuererklärungen für mehrere Jahre (zum Beispiel ab 2013 bis 2018) einzureichen. Dabei kam es zu Steuernachzahlungen von über 3000 Euro plus Zinsen und Verspätungszuschlag.

Wie kann man als Rentner die Steuerbelastung reduzieren?

Bei vielen Ruheständlern stehen hier die sogenannten »außergewöhnlichen Belastungen« an erster Stelle. Das sind Ausgaben, die durch Krankheit, eine Behinderung oder die Pflege entstehen. Die Kosten kann man steuerlich geltend machen, aber nur dann, wenn sie eine Grenze übersteigen. Diese heißt im Steuerrecht »zumutbare Belastung« und ist abhängig von der Höhe der Einkünfte. Übersteigen die Ausgaben, die als außergewöhnliche Belastung gelten, die zumutbare Belastungsgrenze, dann wirken sie sich steuermindernd aus.

Diese Kosten zählen unter anderem dazu:

  • Zuzahlungen zu Medikamenten,
  • Hilfsmittel,
  • Physiotherapien oder ähnliche Anwendungen,
  • Kosten für vom Arzt verordnete Kuren,
  • Rehabilitationsmaßnahmen,
  • Zahnarzt,
  • Brille,
  • Heimunterbringung,
  • Pflegekosten.

Dies sind nur einige Punkte. Wichtig ist, dass etwa Therapien anerkannt sein müssen, Medikamente usw. müssen vom Arzt verordnet sein.

Ruheständler, die mit gesundheitlichen Einschränkungen konfrontiert sind, sollten grundsätzlich überlegen, dass sie den Grad der Behinderung feststellen lassen. Schon ab einem Behinderungsgrad von 25 kann man unter bestimmten Voraussetzungen einen Pauschbetrag in der Steuererklärung ansetzen. Im Übrigen arbeitet die Bundesregierung an einem Gesetz, das Behinderten-Pauschbeträge verdoppeln soll.

Werden aufgrund der Schwere der Behinderung Umbaumaßnahmen in der Wohnung nötig, so können auch diese grundsätzlich geltend gemacht werden. Stimmen alle Voraussetzungen, akzeptiert das Finanzamt zum Beispiel die Kosten für den Umbau eines Badezimmers oder etwa der Treppe.

Das Thema ist jedoch sehr komplex. Daher ist zu raten, einen Lohnsteuerhilfeverein oder einen Steuerberater in Anspruch zu nehmen, um auch alle steuerlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Übrigens am besten schon vor den Umbaumaßnahmen.

Die haushaltsnahen Dienstleistungen

Wer im Haushalt Helfer beschäftigt, kann auch die Ausgaben für diese Kräfte in die Steuererklärung eintragen. Musste ein Handwerker für Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten kommen, dann senken diese Handwerkerleistungen die Steuer. Das gilt auch für die sogenannten »haushaltsnahen Dienstleistungen«. Das Geld für die Haushaltshilfe kann man steuerlich ebenso geltend machen wie die Ausgaben für einen Gärtner.

Es lohnt sich im Übrigen auch, die Nebenkostenabrechnung des Vermieters genau zu prüfen. Lohnkosten für den Schornsteinfeger oder die Heizungswartung kann man ebenfalls ansetzen.

Einige Voraussetzungen sind hierbei jedoch zu beachten: Die Rechnung des Handwerkers oder Dienstleisters muss per Banküberweisung bezahlt werden. Barzahlungen akzeptiert das Finanzamt nicht. Absetzen kann man nur Lohn- und Fahrtkosten, nicht aber Kosten für Material. Die Arbeiten müssen »haushaltsnah« erfolgt sein.

20 Prozent der Lohn- und Fahrtkosten mindern die Steuerlast. Und es gibt weitere Höchstgrenzen: Bei den haushaltsnahen Dienstleistungen wirken sich maximal 4000 Euro steuermindernd aus, bei den Handwerkerleistungen sind es maximal 1200 Euro.

Grundsätzlich kann man auch einen haushaltsnahen Minijob geltend machen. Hier wirken sich 20 Prozent der Kosten steuermindernd aus, höchstens jedoch 510 Euro. Allerdings sind hier eine ganze Reihe weiterer Voraussetzungen zu beachten. Infos dazu Infos bei der Minijob-Zentrale (Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See).

Ab wann muss ein Rentner überhaupt Steuern zahlen?

Es gibt keinen sozusagen typischen Rentner. Insofern sollte man zurückhaltend mit der vereinfachten Steuererklärung für Rentner umgehen, die in einigen Bundesländern angeboten wird. Vielmehr muss jeder Steuerfall individuell bearbeitet werden. Ist ein Ruheständler wieder steuerpflichtig oder nicht - die Berechnung ist komplex.

Grob kalkulieren kann man etwa so: Alle steuerpflichtigen Einkünfte zusammenrechnen. Dazu zählen auch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, ausgenommen hiervon ist der 450-Euro-Job (geringfügige Beschäftigung).

Der individuelle steuerpflichtige Anteil der gesetzlichen Rentenversicherung hängt vom Jahr des Rentenbeginns ab. Nachschlagen kann man den Anteil im Einkommensteuergesetz (§ 22 EStG). Dieser findet sich aber auch in der »Mitteilung zur Vorlage beim Finanzamt«, die alljährlich von der Deutschen Rentenversicherung (auf Antrag) verschickt wird.

Von dem Gesamtbetrag kann man noch die Werbungskostenpauschale von 102 Euro oder die tatsächlichen Werbungskosten abziehen. Übersteigt der verbleibende Betrag den Grundfreibetrag (2019 sind es 9168 Euro), dann ist man als Rentner zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet.

Das heißt aber noch lange nicht, dass man auch Steuern zahlen muss. Denn zur Berechnung des Steuerbetrags zieht man von den Einkünften unter anderem diese Ausgaben ab:

  • Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherung,
  • Sonderausgabenpauschale 36 Euro oder tatsächliche Ausgaben (Spenden oder Kirchensteuer),
  • außergewöhnliche Belastungen.

Das Fazit: Wer unsicher ist, sollte Unterstützung bei einem Lohnsteuerhilfeverein suchen. Wer nicht weiß, ob er wieder Steuern zahlen muss, der sollte lieber nicht abwarten, bis das Finanzamt sich meldet. Das kann unter anderem wegen der Verspätungszuschläge teuer werden.

Der Autor ist Leiter der Beratungsstelle Berlin der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer, Lohnsteuerhilfeverein mit Sitz in Gladbeck.

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