Nur ein Trostpflaster

Die Bundesregierung muss endlich Verantwortung für die Kolonialverbrechen übernehmen, meint Vanessa Fischer

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.

Dass die namibische Regierung das Entschädigungsangebot Deutschlands für die Verbrechen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika abgelehnt hat, ist gut. Denn die zehn Millionen Euro, die die Bundesregierung Namibia »zur Heilung der Wunden« angeboten hatte, sind nicht nur eine lächerlich kleine Summe für den ersten Genozid des 20. Jahrhunderts, bei dem immerhin bis zu 100.000 Herero und Nama ihr Leben ließen. Sie ist auch ein Sinnbild dafür, wie sehr Deutschland es geschafft hat, bis heute keinerlei wirkliche Verantwortung für diese Kolonialverbrechen zu übernehmen.

Denn dafür bräuchte es neben einer Rückführung aller menschlichen Überreste aus deutschen Sammlungen, sowie einer Beseitigung aller kolonialen Symbole vor allem eins: eine uneingeschränkte Anerkennung des Völkermords sowie eine offizielle Entschuldigung der deutschen Regierung. Lange Zeit hatte diese zu dem Völkermord allerdings überhaupt keine Stellung bezogen: Noch im August 2012 wies sie alle Verantwortung von sich - und das, obwohl der Whitaker-Report der Vereinten Nationen »bereits« im Jahr 1985 das Vorgehen gegen die Herero und Nama offiziell als Genozid deklariert hatte. Erst 2016 rang sich Deutschland schließlich dazu durch, die UN-Definition anzuerkennen, jedoch nicht ohne Einschränkungen: Die Völkermordkonvention sei nicht rückwirkend anwendbar. Die Bundesregierung der Auffassung, »dass sich aus dieser historisch-politischen Verwendung des Begriffs keine Rechtsfolgen ergeben«.

Es ist ein politischer Eiertanz, den die Bundesregierung da seit Jahrzehnten erfolgreich veranstaltet, der jedoch ganz reale Folgen hat: So lehnte ein New Yorker Gericht 2019 eine Sammelklage von Vertreter*innen von Herero und Nama auf Reparationszahlungen in Milliardenhöhe ab: wegen fehlender Erfolgsaussichten.

Dass die Bundesregierung auf Forderungen nach als Reparationen bezeichnete Zahlungen immer wieder damit reagiert, mehr »Entwicklungshilfen« an Namibia zu versprechen, um damit von der eigenen Verantwortung abzulenken und sich gönnerhaft zu zeigen, ist ein scheinheiliges Trostpflaster, das auf eine fortlaufend aufreißende und immer tiefer werdende Wunde geklebt wird.

Bisher wurden die Verhandlungen von der namibischen Regierung geführt, deren Mitglieder mehrheitlich einer nicht vom Völkermord betroffenen Gruppe angehören. Wenn die Bundesregierung es ernst meint und tatsächlich die »Wunden heilen« will, dann muss sie die Herero und Nama nach der Absage der namibischen Regierung nun endlich durch selbstgewählte Vertreter*innen am Verhandlungstisch beteiligen und bedingungslos auf ihre Forderungen eingehen.

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