»Mein Name lautet Amed«

Politisch motivierte Terrorismusprozesse gegen Kurden vor mehreren deutschen Gerichten

  • Nick Brauns
  • Lesedauer: 4 Min.

Im seit Februar laufenden Terrorismusprozess gegen den Kurden Mazhar Turan vor dem Oberlandesgericht Koblenz wird am heutigen Dienstag das Urteil verkündet. Dem 60-Jährigen, der noch immer an den Folgen von Folterungen während einer früheren Haft in der Türkei leidet, droht eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Beschuldigt wird Turan der Mitgliedschaft in einer »terroristischen Vereinigung im Ausland« nach dem Strafrechtsparagrafen 129b. Bis zu seiner Festnahme im Juni vergangenen Jahres soll er für rund ein Jahr als verantwortlicher Kader der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK in Mainz tätig gewesen sein. In dieser Funktion habe er Spendensammlungen und Veranstaltungen »mit PKK-Bezug« organisiert und Kurden zur Teilnahme an Veranstaltungen mobilisiert, heißt es unter Verweis auf Beweise aus polizeilichen Observationsmaßnahmen, einer intensiven Telekommunikationsüberwachung und der Durchsuchung von Turans Wohnung sowie eines kurdischen Kulturvereins.

Auch der 43-jährige Mustafa Celik, gegen den seit Anfang Juli vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg verhandelt wird, soll als »hochrangiger Führungskader« der PKK tätig gewesen sein. In dieser Eigenschaft habe er an - legalen - Veranstaltungen teilgenommen, darunter Demonstrationen gegen den Besuch des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan. Weiterhin wird Celik zur Last gelegt, dass er sich um eine erkrankte »PKK-Aktivistin« gekümmert habe, die in Deutschland Asyl beantragt hat. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft sind Gespräche, die Celik mit Mitgliedern der Linkspartei in Bremen geführt hatte, als »Einflussnahme für die PKK« zu werten. Am 21. August beginnt vor dem Oberlandesgericht Celle dazu noch ein weiterer Prozess gegen einen kurdischen Aktivisten. Der 46-jährige Serkan U. der sich anders als Celik und Turan derzeit nicht in Untersuchungshaft befindet, soll zwischen 2010 und 2013 für »alle propagandistischen, organisatorischen, finanziellen und personellen Angelegenheiten« der PKK in Kassel und Salzgitter verantwortlich gewesen sein.

Nimmt man Verurteilungen von PKK-Kadern in den vergangenen Jahren zum Maßstab, dann müssen die Angeklagten in den laufenden Verfahren mit Freiheitsstrafen um die drei Jahre rechnen. Die meisten Aktivitäten, die ihnen vorgeworfen werden, erscheinen indessen als normale und legale Verhaltensweisen politisch aktiver Menschen. Dass mutmaßliche PKK-Kader dafür dennoch als »Terroristen« verfolgt werden können, geht auf eine Ermächtigung des Bundesjustizministeriums aus dem Jahr 2011 zurück. Schon an der Notwendigkeit der Erteilung einer solchen Verfolgungsermächtigung, die sich an außenpolitischen Interessen der Bundesregierung wie der Allianz mit dem Nato-Partner Türkei orientiert, wird der politische Charakter der 129b-Verfahren deutlich. Nach der Logik des Paragrafen können die Angeklagten in Mithaftung für alle Guerillaaktionen der PKK im Nahen Osten genommen werden.

Die Entscheidung darüber, dass es sich beim bewaffneten Kampf in Kurdistan um »Terrorismus« handelt, hat die Bundesregierung mit ihrer Verfolgungsermächtigung politisch schon vorweg genommen. Die Gerichte müssen so lediglich noch nachweisen, dass die Angeklagten dem hauptamtlichen Apparat der PKK angehört haben.

Celiks Verteidiger haben daher einen Antrag zur Bewertung des Prozesses auf Grundlage des humanitären Völkerrechts nach der Charta der Vereinten Nationen gestellt. Geklärt werden soll, inwieweit es sich beim Konflikt zwischen der PKK und dem türkischen Staat um einen völkerrechtlich legitimen »nationalen Befreiungskampf« des kurdischen Volkes gegen ein rassistisches Kolonialregime handelt.

Er sei Angehöriger eines kolonisierten Volkes, das seit Jahrhunderten Genoziden und Massakern ausgesetzt ist, führte Celik Anfang August vor Gericht aus. 1996 habe er sich als Jugendlicher in Deutschland angesichts der Zerstörung kurdischer Dörfer durch die türkische Armee dazu entschieden, »in die Berge« zu gehen - also sich der Guerilla anzuschießen. Dass die Richterin seine Beweggründe nachvollziehen kann, bezweifelt Celik. »Ein Schwarzer aus Südafrika kann mich verstehen, aber für Sie ist es schwierig.«

Wie wenig die Strafverfolgungsbehörden die Situation der Kurden verstehen, zeigt sich in der Anklageschrift. Dort heißt es, Celiks Codename innerhalb der PKK sei »Ahmet« gewesen. »Mein Name lautet Amed«, stellte der Angeklagte klar. Dies - und nicht der von der Polizei beim Abhören verstandene türkische Name Ahmet - sei sein in der Türkei verbotener kurdischer Rufname.

Nick Brauns ist Autor und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die Linke).

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