Pokal immer in Reichweite

Ein Mann mit Plan und dem nötigen Quäntchen Geschick dafür: Jirka Grahl

  • Michael Müller
  • Lesedauer: 3 Min.
Pokal immer in Reichweite

Ein auffälliger professioneller Zug bei Jirka Grahl ist, dass es für ihn kein Lieblingsthema gibt. Und er vermeidet solche individuelle Geschmacksnote ganz besonders dort, wo ohnehin nur noch Chronistenpflicht gilt, weil das Thema mitunter schon tagelang überall breitgetreten wurde. »Ich seh’ mich ungern als einen, der nachklappert«, sagt er.

Ein ehrgeiziger Anspruch, der den 49-Jährigen, seit 2008 Chef vom Sport- sowie seit 2019 vom Reiseteil, oft auf die Probe stellt. Da bleibt dieser Typ mit dem Drei-, mitunter auch mal Mehrtagebart ziemlich konsequent. Jedenfalls nicht so jungenhaft lässig, wie er oft daher kommt.

Er ist ein Mann mit Plan. Und er hat dafür das nötige Quäntchen Geschick, wenn schon Kompromisse, diese möglichst andere eingehen zu lassen. Kleines Beispiel aus seinen Anfangsjahren: Im Herbst 2005 hatten in der Pariser Banlieue bereits tagelang Zehntausende Jugendliche gegen Polizeiterror rebelliert. Jirka war gerade vor dem Abflug nach Paris zu einem Fußball-Länderspiel. Nun drang er darauf, auch aus der Banlieue zu berichten. Der Verlag bremste erst wegen der längeren Reisedauer, lenkte dann aber ein. Jirka revanchierte sich glänzend als politischer Reporter.

Die Familie, aus der er stammt, reicht von kommunistisch (Opa), über einst SED-, heute Linke-Mitgliedschaft (Mutter) bis zu progressiv-kritisch gegenüber der DDR (Vater). »Selbst fühlte ich mich zur Wendezeit zwischen allen Stühlen.« Allerdings war er voll ausgefüllt, nämlich mit Freuden und Sorgen einer rasch wachsenden jungen Familie.

Eine Tochter und vier Söhne hat er mit seiner Frau Lucia. Der älteste heute 26, der jüngste 10. Geld zu verdienen, hatte anfangs unbedingten Vorrang vor Studium. Er jobbte, auch als freier Zeitungsmitarbeiter. Doch er tat auch viel zu Selbstbildung und -findung. Mit Literatur und Sprachen, durch Kunst, Musik und in der Politik.

Schließlich landete er 2003 zu einem Vorstellungsgespräch in dieser Zeitung. »Erst war ich misstrauisch, erwartete Altmodisches und Links-Konservatives.« Doch schon beim ersten Kontakt sei er »neugierig geworden, mit aufkommender Ahnung, hier richtig zu sein«.

Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Dieser junge Mann, der einst schon in seinem Kindergarten als Vorleser fungierte, wenig später sogar begann, kleine Geschichten aufzuschreiben und Schach zu spielen, schien entwicklungsfähi.

Als Sportjournalist begann er, obwohl passionierter Rennradfahrer, sein Hobby nicht etwa zum Beruf zu machen. Zu seinem Beruf machte er, Sport zu beobachten und zu beschreiben. Mit detailliertem Fachwissen, aber auch mit möglichst viel Draufsicht. Er erkennt so Licht- wie Schattenseiten besser, blickt so auf Olympia und »Rand«-Sportarten möglichst paritätisch. Und er tut das sehr selbstbewusst. »Aus dem Gleichgewicht bringen mich von außen mitunter nur Unfreundlichkeit und Unehrlichkeit.«

Wünsche für die nächsten Jahre? - »Gesunde und glückliche Familie. Noch mehr darüber zu reportern, was ›vor Ort‹ ist. Dass wir den Fußball-Wanderpokal der Berliner Journalisten verteidigen.« Der thront im Büro derzeit in Reichweite von Mannschaftskapitän Jirka Grahl, der ihn seinen »bislang beglückendsten sportlichen Erfolg« nennt.

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