Auf Demonstrationen gilt Maskenpflicht

Nach Aufmärschen von Corona-Leugnern verschärft der Senat die Verordnung zum Infektionsschutz

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach den Ausschreitungen von Rechtsextremen und Reichsbürgern vor dem Bundestag hat der Senat am Dienstag eine Verschärfung der Infektionsschutz-Verordnung beschlossen. »Wir haben die Ereignisse des Wochenendes in Berlin erörtert«, sagte Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Dienstag in der Senatspressekonferenz im Roten Rathaus. Demnach gilt ab der Veröffentlichung im Amtsblatt in Berlin bei Versammlungen unter freiem Himmel ein Maskengebot. »Wir haben in die Rechtsverordnung aufgenommen, dass auch bei Versammlungen unter freiem Himmel eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes besteht, wenn die Zahl der Teilnehmenden über 100 liegt«, sagte die Gesundheitssenatorin.

Die Maskenpflicht gilt auch bei kleineren Versammlungen, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer beginnen, Slogans zu skandieren oder zu singen, hieß es. Sollten sich die Demonstranten nicht an die Auflagen halten, so die Senatorin auf nd-Nachfrage, würden die entsprechenden Behörden reagieren. Verstöße gegen die Maskenpflicht auf Demonstrationen sollen zudem mit einem Bußgeld geahndet werden. Bisher war es in Berlin so, dass die Versammlungsbehörde individuell für jede Veranstaltung in ihren Auflagen das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung verfügt hatte. Das Verwaltungsgericht hatte in seinem Urteil zur Ablehnung eines von der Versammlungsbehörde erlassenen Demonstrationsverbotes der sogenannten Querdenken-Proteste erklärt, dass die Maskenpflicht nicht in der Rechtsverordnung für den Infektionsschutz enthalten ist. Das hat der Senat mit der neuen Verordnung nun geändert. Von den Zehntausenden, die sich am vergangenen Wochenende an den Protesten gegen die Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Pandemie beteiligten, hatten sich die wenigsten an die geltenden Mindestabstände und Hygieneregeln gehalten.

Angesichts des versuchten Eindringens von Demonstranten in den Bundestag im Reichstagsgebäude, der von einigen Polizisten unterbunden wurde, ging auch in Berlin die Debatte weiter, wie der Schutz des Parlamentsgebäudes verbessert werden kann. Die Berliner Polizei ist für den Außenschutz zuständig. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte immer betont, dass der Bundestag zu keinem Zeitpunkt ungeschützt gewesen sei. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) räumte am Montagabend in der ARD-Sendung »hart, aber fair« Fehler beim Polizeieinsatz vor dem Reichstagsgebäude ein. »Das müssen wir anders koordinieren. Das müssen wir in Zukunft besser sichern«, sagte Müller. Der Regierende verteidigte auch erneut den Versuch, die Proteste im Vorfeld gerichtlich zu unterbinden. »Wir können nicht sorglos alles zulassen«, so Müller. Es sei ja das Wesen dieser Demonstrationen, bewusst gegen Auflagen zu verstoßen. Die Politik müsse nicht nur das Demonstrationsrecht garantieren, sondern auch den Gesundheitsschutz durchsetzen.

Um das Infektionsgeschehen mit dem Coronavirus in Berlin weiter zu minimieren, hat der Senat indes nicht nur Versammlungen im Blick. Zwar hält sich die große Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner laut Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci an die geltenden Regeln zur Eindämmung der Pandemie. »Die Berliner sind sehr diszipliniert«, lobte Kalayci. Deshalb stehe die Hauptstadt im Vergleich zu Metropolen in anderen Ländern, was die Infektionslage angeht, auch ganz gut da. Bislang gab es in Berlin 226 Todesfälle zu beklagen, die im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung stehen. Aber für eine Entwarnung gebe es dennoch keinen Grund, so die Gesundheitssenatorin. Derzeit sind rund 700 Menschen in Berlin noch nicht wieder genesen, diese Menschen könnten neue Infektionsketten auslösen. Sollten die Infektionszahlen weiter steigen, könnte die Rückverfolgung der Kontaktpersonen von erkrankten Menschen durch die Gesundheitsämter nicht mehr funktionieren.

Als einen wichtigen Faktor für aktuelle Neuinfektionen hat der Senat das »Freizeitverhalten« und die Mobilität von Jüngeren ausgemacht. In der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen gibt es eine viel höhere Infektionsrate als bei 80- bis 89-jährigen Menschen, haben die Behörden registriert. »Es ist uns gelungen, die Älteren zu schützen«, betonte Kalayci. Die Gesundheitssenatorin kündigte an, die Infektionen in privaten Haushalten, die derzeit fast zwei Drittel des Infektionsgeschehens ausmachen, durch neue Regeln angehen zu wollen. Bei privaten Feiern gilt ab sofort auch die 1,5-Meter-Abstandsregel und auch in privaten Räumen eine Maskenpflicht, wenn man sich nicht an seinem Platz befindet. Wer eine Feier mit mehr als 50 Gästen organisiert, muss auf Nachfrage ein individuelles Hygiene- und Sicherheitskonzept vorweisen können. Außerdem müssen die Kontaktdaten der Gäste vollständig dokumentiert werden.

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