Stadtteil mit Gleisanschluss

Köpenicks Zukunftsquartier für Wohnen und Gewerbe entsteht auf dem Areal des stillgelegten Güterbahnhofs

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

Der »Köpenicker Hof« am Stellingdamm 15, gleich neben der Bahntrasse und nahe dem S-Bahnhof Köpenick, wirkt ein wenig wie aus Raum und Zeit gefallen. Auf dem Bürgersteig vor der Rezeption dösen ein paar Pensionsgäste in der Morgensonne, und über den Hof schlurfen zwei verschlafene Camper vom dortigen Wohnmobilstellplatz zu den Duschräumen, das Handtuch über der Schulter. Daneben wird an Klapptischen gefrühstückt. Doch die Tage dieser Idylle sind gezählt.

Die Klinkerbauten aus der Zeit um 1900, in denen die KGT Köpenicker Tourismus GmbH noch bis Ende 2021 die rustikale Beherbergungsstätte samt Gaststätte, Biergarten und Veranstaltungsräumen betreibt, sind denkmalgeschützt. Auf dem Areal wurde von 1889 bis 1925 das Städtische Gaswerk betrieben. Der Entwurf für die »1. Köpenicker Gasanstalt« geht unter anderem auf Hugo Kinzer, den Architekten des berühmten Rathauses Köpenick, zurück. Und so fanden am Samstag zum »Tag des offenen Denkmals« Führungen durch das historische Ensemble statt.

Güterbahnhof und Gaswerk

Der Bahnhof Berlin-Köpenick entstand 1842 als Halt auf dem Streckenabschnitt Berlin-Frankfurt (Oder) der Niederschlesisch-Märkischen-Eisenbahn.

1899 bis 1902 wurde der Bahnhof umgebaut und um ein eigenes Gleispaar für Vorortzüge, die Vorgänger der heutigen S-Bahn, erweitert. Neben den Ferngleisen wurde östlich davon unter anderem eine Güterladestelle errichtet.

Der Betrieb des Güterbahnhofs wurde Anfang der 1990er Jahre durch die Deutsche Bahn eingestellt. Das Gelände liegt seither brach.

1889 ging die erste private »Köpenicker Gasanstalt in Betrieb. 1905 versorgte es über ein 31 Kilometer langes Leitungsnetz 12 300 »Privatflammen« und 420 Straßenlaternen.

Die Pläne stammten von Hugo Kinzer, dem Architekten des Rathauses Köpenick.

Die Städtischen Gaswerke (Gasag) beendeten 1925 die Gaserzeugung in Köpenick.

1964 übernahmen Müllabfuhr und Straßenreinigung das Gelde, bis 2006 war es Recyclinghof. Seither vermarktet es der »Köpenicker Hof« (Pension, Wohnmobile, Gastronomie). tm

Schon am Freitag hatte dort gar die Zukunft Einzug gehalten: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und der Bezirk Treptow-Köpenick hatten Anwohner und Interessierte zu einer Informationsveranstaltung über die künftige Entwicklung des gesamten angrenzenden Gebietes eingeladen. Hier auf dem Gelände des seit Anfang der 90er Jahre brachliegenden Güterbahnhofs und in seinem Umfeld soll ein völlig neues Stadtquartier für rund 3800 Menschen entstehen.

Ein Info-Café bietet eine Plattform für die Einbeziehung der Bürger in die Planungen und bildete am Freitag zugleich den Auftakt der gesetzlich vorgeschriebenen frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung für den Bebauungsplan des ehemaligen Gaswerks. Er sieht dort unter anderem die Errichtung eines der beiden im Viertel geplanten neuen Schulstandorte vor. Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) sprach zur Eröffnung von einen »Meilenstein für die weiteren Beteiligungsprozesse«. Denn am alten Güterbahnhof Köpenick werde eines jener Stadtquartiere in Angriff genommen, mit denen Berlin den riesigen Wohnungsbedarf decken will. »Berlin braucht bezahlbaren Wohnraum. Den vom Land geplanten 16 Stadtquartieren kommt dabei eine besondere Bedeutung zu«, betonte Scheel. »Damit auf der Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs Köpenick tatsächlich entsteht, was nicht nur die neue, sondern auch die bestehende Nachbarschaft braucht, ist die Beteiligung der Öffentlichkeit im weiteren Planungsprozess besonders wichtig.«

Mit 1800 nahe der Einkaufsmeile am Bahnhof neu entstehenden Wohnungen - davon 40 Prozent mit Mietpreisbindung - erhält Köpenick ein attraktives Wohnviertel. Auch der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel (SPD), war zum Info-Café erschienen, um mit Anwohnern und Gewerbetreibenden zu reden, die sich über die geplante Entwicklung des neuen Quartiers informieren und an einem Ausstellungsrundgänge teilnehmen wollten.

Inzwischen läuft der im Rahmen einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme vergleichsweise preiswerte Ankauf der Grundstücke durch das Land an. Beschlossen wurde er im Mai 2020. Dabei handelt es sich neben einigen privaten Flächen vor allem um das fast 60 Hektar große, im Besitz des Bundeseisenbahnvermögens befindliche Gelände des ehemaligen Güterbahnhofes Köpenick. 65 Prozent der Grundstücke werden an städtische Wohnungsbaugesellschaften vergeben, 25 Prozent an Genossenschaften oder Baugruppen. Neben den Wohnanlagen sind nördlich und südlich der Bahntrasse je eine Grundschule, soziokulturelle Einrichtungen wie betreutes Wohnen, Kitas, Kiezclub und Jugendfreizeiteinrichtungen geplant. Im Gespräch sind eine Musikschule, eine Bibliothek und Gastronomie. Großer Wert wird auf die Integration und Neustrukturierung der bestehenden Gewerbebetriebe gelegt.

Das neue Viertel hat mit der Erpe-Niederung und dem Stadtforst ein grünes Umfeld, und es liegt verkehrsgünstig zwischen den S-Bahnhöfen Köpenick und Hirschgarten. Das Mobilitätskonzept für das Quartier setzt vor allem auf Öffentlichen Nahverkehr, das Fahrrad sowie Car- und Bike-Sharing-Stationen. Für Privatautos sind zwei Parkhäuser an der Peripherie geplant. Die Deutsche Bahn will Köpenick in den Jahren 2023/2024 zum Regionalbahnhof ausbauen. Clou des Verkehrskonzeptes wird die Ostumfahrung des Bahnhofes werden, die die Bahntrasse queren und das bisherige Zentrum vom Autoverkehr entlasten soll. Ob Zeit und Geld allerdings statt einer Brücke für eine raumsparende Unterquerung reichen, darf schon jetzt bezweifelt werden. Baustart im Quartier soll 2025 sein, die ersten Häuser will man 2027 bezugsfertig haben. Spätestens dann müssten die Bewohner gefahrlos über die Gleise durch durch ihr Wohngebiet kommen.

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