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Die Tage der »Potse« sind gezählt

Berliner Landgericht bestätigt Räumungsurteil gegen besetztes Jugendzentrum in Schöneberg

  • Rainer Rutz und Jordi Ziour
  • Lesedauer: 3 Min.

Das alternative Jugendzentrum »Potse« in Berlin-Schöneberg bleibt akut von Räumung bedroht. Deshalb protestierten am Montagnachmittag mehrere Dutzend Jugendliche vor der seit mehr eineinhalb Jahren besetzten Einrichtung an der Potsdamer Straße 180. Sie rauchten, saßen auf dem Boden, hörten Liedermachermusik. Veganer Kuchen wurde ebenso gereicht wie Billigbier und Apfelschorle. Wer wollte, konnte sich seine Kleidungsstücke bedrucken lassen.

Vorausgegangen war am Montagmorgen eine Entscheidung des Berliner Landgerichts. Konkret hatte das Gericht einen Einspruch des beklagten Vereins gegen ein bereits im Juli ergangenes Urteil zurückgewiesen. Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und der Anwalt der »Potse« Berufung einlegen kann: Die Tage des Jugendzentrums könnten gezählt sein. Theoretisch kann der Bezirk Tempelhof-Schöneberg unverzüglich die Räumung veranlassen, so eine Sprecherin des Landgerichts zu »nd«.

Wie berichtet, hatte der Bezirk Ende 2018 den Mietvertrag über die 800 Quadratmeter an der Potsdamer Straße, die sich die »Potse« und das Jugendzentrum »Drugstore« bis dahin geteilt hatten, auslaufen lassen. Während das »Drugstore«-Kollektiv die Räumlichkeiten verließ, weil ihnen ein Ersatzstandort versprochen wurde, schalteten die Jugendlichen der »Potse« in den Angriffsmodus - und erklärten das seit 40 Jahren bestehende Jugendzentrum kurzerhand für besetzt. Bis heute weigern sie sich, die Schlüssel für die Räume herauszugeben.

Laut einer Sprecherin der »Potse« wird daran auch das Gerichtsurteil vom Montag nichts ändern. »Wir sind wütend, aber auch nicht wirklich überrascht von dem Urteil«, sagt Lisa, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will. Nach wie vor fordern die Jugendlichen Ersatzräume vom Bezirk, in denen sie laut sein können, um Konzerte und Bandproben stattfinden zu lassen. Für die Sprecherin steht fest: »Der Bezirk nimmt unsere Lage nicht ernst.«

Das zeigt für die Besetzer auch und vor allem der Umgang mit dem »Drugstore«. Das befreundete Kollektiv warte bis heute darauf, dass das Bezirksamt sich an seine Versprechen hält und ihm Alternativräume zur Verfügung stellt. Vertrauensbildende Maßnahmen sehen anders aus, meint Lisa: »Seit fünf Jahren ist bekannt, dass wir hier nicht bleiben können. Es kann nicht sein, dass der Bezirk seit fünf Jahren nicht in der Lage ist, Alternativen für uns zu finden. Deshalb bleiben wir in den Räumlichkeiten, bis es ein Ersatzobjekt für uns gibt.« Auch auf Twitter verkünden die Besetzer: »Wir werden die Potse nicht verlassen!«

Unterstützung erfahren sie von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Wir sprechen hier nicht von wild gewordenen Jugendlichen, sondern von einem alternativen Zentrum, das sehr gute Jugendarbeit macht«, sagt Linke-Politiker Philipp Bertram, der seinen Wahlkreis in Tempelhof-Schöneberg hat. »Wir können es uns nicht leisten, diese Arbeit einfach über Bord zu werfen.«

Das Straßenbahndepot an der Belziger Straße, das von der Polizei als Abstellplatz genutzt wird, oder das Gebäude an der Potsdamer Straße, Ecke Bülowstraße, in das nach derzeitiger Planung eine Schule der Finanzämter einziehen soll: Es gebe durchaus mehrere, in der Vergangenheit vorschnell verworfene Optionen für neue Standorte, so Bertram. Das Bezirksamt könnte jetzt zwar die »Potse« räumen lassen. »Ich rate aber dringend, von derlei Abstand zu nehmen.« Mit Blick auf die Räumung der Neuköllner Kneipe »Syndikat« sagt Bertram: »Möchte man an der Potsdamer Straße wirklich einen neuen Großeinsatz provozieren? Ich glaube, da sagen alle Beteiligten: Nein!«

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