Pyrrhussieg für die Partei von Andrej Babiš

Tschechiens Regierungspartei steckt trotz gutem Abschneiden bei der Regionalwahl in Schwierigkeiten

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei den Regionalwahlen in Tschechien am Freitag und Samstag konnte die in Prag regierende rechtspopulistische Bewegung ANO in zehn der dreizehn Bezirke des Landes die meisten Stimmen auf sich vereinigen. Doch dies wird wohl nicht dafür ausreichen, auch die Regionalregierungen zu stellen. Bündnisse der Opposition wollen die »Aktion unzufriedener Bürger« des tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš daran hindern - mit deutlicher Signalwirkung auch für die im kommenden Jahr anstehenden Parlamentswahlen.

Tschechiens aktuelle Wahlkarte vermittelt auf den ersten Blick also ein schiefes Bild: Nur drei der dreizehn Regionen zeigen sich nicht mit dem tiefdunklen Blau der ANO markiert. Diese gingen an die Bürgerinitiative Liberecer Bezirk, in Mittelböhmen gewann die Bürgermeisterbewegung (STAN) und im Bezirk Hradec Králove ein Bündnis aus den liberal-konservativen Bürgerdemokraten (ODS) und der STAN.

Da in keinem der Bezirke, in dem ANO die meisten Mandate erzielt hat, ihre Zahl auch ausreicht, um die Regionalregierung zu stellen, muss die Bewegung des Agrarmilliardärs Babiš nun versuchen, Koalitionspartner zu finden. Solche zähen Verhandlungen, das zeigte sich auch nach den letzten Parlamentswahlen, können sich lang hinziehen. 2017 benötigte Babiš zwei Anläufe, bis er schließlich die jetzige Prager Koalition aus ANO und Sozialdemokraten (CSSD) auf die Beine stellte - und die ist auch nur regierungsfähig, weil mit den kommunistischen Abgeordneten der KSCM im Parlament eine Tolerierung durch Stillhalten vereinbart wurde.

Der Koalitionspartner der ANO auf nationaler Ebene musste bei den Regionalwahlen nun eine herbe Schlappe einstecken. Die Sozialdemokraten errangen insgesamt nur 37 Mandate, 2016 hatten sie noch 125 Sitze erhalten. Damit kann die CSSD jegliche Hoffnung aufgeben, einen Bezirkshauptmann zu stellen. Die Kommunisten fielen von 86 auf 13 Mandate ab, ihre Hochburgen Ustí und Karlovy Vary hatte die KSCM bereits bei vorangegangenen Urnengängen verloren.

Zulegen konnten die liberale Piratenpartei mit 99 Mandaten (zuvor 5) und die Bewegung Bürgermeister und Unabhängige (STAN) mit 69 gegenüber 38 Sitzen in Regionalparlamenten. Bereits vor den Wahlen hatten sich diese Parteien ebenso wie die christdemokratische KDU-CSL und die Bürgerdemokraten geäußert, ein Regieren von ANO gemeinsam verhindern zu wollen.

Die Bürger schauen derzeit mit großer Skepsis nach Prag. Tschechien hatte zu Beginn der Corona-Pandemie mit schnellen und strikten Beschlüssen eine starke Ausbreitung von Covid-19 verhindern können. Doch dann hoben die Behörden nach Meinung vieler die Maßnahmen zu schnell wieder auf, wurde das Infektionsgeschehen zu lax kontrolliert.

Gesundheitsminister Adam Vojtech - seit Gründung der ANO Babiš‘ enger Vertrauter - hatte die Zentrale Epidemiekommission zuletzt am 15. Mai einberufen und anschließend in die Sommerpause geschickt. Angesichts der neu steigenden Zahlen im September bezeichnete er sie dann als »Schlüsselplattform«. Kurz vor den Wahlen versuchte sich Babiš in Schadensbegrenzung, entließ Vojtech als Minister und berief statt dessen den früheren Chef der Akademie für Militärmedizin in Hradec Králove, Oberst Roman Prymula, zum neuen Gesundheitschef. Doch die Öffentlichkeit durchschaute den Schritt, Medien nannten den Ministerwechsel ein Bauernopfer. Die Verhandlungen in den kommenden Tagen werden zeigen, inwieweit sich Babiš sich doch noch durchsetzen kann. Sollte die Babiš-Administration beim Management der aktuellen Krise weiter versagen, könnte sie ihren politischen Führungsanspruch einbüßen.

Zeitgleich mit den Regionen wurde auch ein Drittel der Senatssitze neu bestimmt. Die Senatoren werden für jeweils sechs Jahre gewählt. Im ersten Wahlgang konnte sich nur der bisher bereits dem Oberhaus des Parlaments der Tschechischen Republik angehörende Parteilose Zbynek Linhart aus Decín mit 52,77 Prozent der abgegebenen Stimmen direkt durchsetzen. Die weiteren 26 Senatssitze müssen am kommenden Wochenende im zweiten Wahlgang verteilt werden. Von ANO haben sich acht Bewerber für diese Stichwahl qualifiziert, doch nur drei von ihnen liegen nach der ersten Runde vorn, und auch das nur knapp. Gegenüber der Wahl von 2014 könnte die Regierungskoalition im Senat etliche Sitze verlieren. Von bisher zehn Senatssitzen können die Sozialdemokraten im zweiten Durchgang höchstens noch drei verteidigen.

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