Die Dynamik nimmt zu

Mehr als 300.000 Menschen in Deutschland seit Beginn der Covid-19-Pandemie infiziert

Die Coronakrise, das sind auch jede Menge Zahlen, Kurven, Diagramme, Kennwerte. Sie machen das Infektionsgeschehen greifbar, zeigen dessen - offiziell zu bestätigendes - Ausmaß, liefern Politik und Behörden die Möglichkeit, einen konkreten Handlungsrahmen abzustecken, haben dementsprechend entscheidenden Einfluss auf die Anti-Corona-Maßnahmen - und damit auf alle Bürger und Bürgerinnen.

Am Montagmorgen gab das Robert-Koch-Institut (RKI), Sachwalter der deutschen Coronazahlen, bekannt, dass sich in der Bundesrepublik seit Beginn der Covid-19-Pandemie mittlerweile mehr als 300 000 Menschen nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert haben, mit Stand der Meldungen durch die Gesundheitsämter vom 5. Oktober, 0 Uhr genau 300 619. Wäre die Marke unter der Woche überschritten worden, wären es vermutlich noch etliche mehr gewesen. Doch vor allem an Sonntagen fallen die gemeldeten Zahlen niedriger aus, weil dann nicht alle Gesundheitsämter ihre Daten weitergeben, diesmal waren es 1382 neue Corona-Infektionen.

Laut RKI kamen zur Anzahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Coronainfektion fünf neue hinzu, insgesamt sind es nun mit Stand Montagmorgen 9534. Nach RKI-Schätzungen haben bisher etwa 263 700 Menschen eine Infektion überstanden. Die Reproduktionszahl, den sogenannten R-Wert, gab das Institut mit 1,23 an (Vortag: 1,10). Dieser Wert gibt an, wie viele andere Menschen eine infizierte Person rechnerisch ansteckt.

Soweit einige der blanken bundesweiten Zahlen. Welche konkreten Auswirkungen die erfassten Coronadaten nun für das alltägliche Leben haben, lässt sich derzeit am besten auf kommunaler und Länderebene nachvollziehen. Die entscheidende Frage hier: Wie viele Menschen pro 100 000 Einwohner haben sich in den letzten sieben Tagen infiziert?

In Nordrhein-Westfalen etwa sind es derzeit mancherorts zu viele. In dem Bundesland gilt eine Schwelle von 35 Infektionen pro 100 000 Einwohner, die aktuell von den Städten Hamm, Remscheid, Essen, Wuppertal, Solingen, Köln, Leverkusen, Duisburg, Gelsenkirchen, Aachen und Alsdorf überschritten wird. Die nordrhein-westfälische Coronaschutzverordnung sieht in diesen Fällen vor, dass an privaten Feiern außerhalb einer Wohnung statt 150 nur noch höchstens 50 Personen teilnehmen dürfen und die betroffenen Kommunen zudem weitere konkrete Schutzmaßnahmen ergreifen. Aachen zum Beispiel erhöhte den Mindestabstand bei öffentlichen Veranstaltungen auf zwei Meter, Alsdorf verfügte unter anderem ein Alkoholverbot bei Sportveranstaltungen.

Noch massivere Auswirkungen für die Bürger und Bürgerinnen und Besucher der betroffenen Gebiete hat die Deklarierung als Risikogebiet. So stuft Schleswig-Holstein neben Hamm und Remscheid in Nordrhein-Westfalen mittlerweile auch die vier Berliner Bezirke Tempelhof-Schöneberg, Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg so ein. Letztere gelten auch in Rheinland-Pfalz als Risikogebiet. Für Einwohner solcher Gebiete oder Reiserückkehrer hat dies in der Regel zur Folge, dass sie sich in Quarantäne begeben müssen, bis sie zwei negative Corona-Testergebnisse vorweisen können.

Andere Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern betrachten Berlin bei ihrer Risikoeinschätzung hingegen nicht bezirksweise, sondern als Ganzes. Dementsprechend ist das beliebte Urlaubsland weiter ohne Einschränkungen offen für Besucher und Rückkehrer aus Berlin, wie eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums am Montag in Schwerin erklärte - noch.

Im Nordosten selbst, wo die Infektionszahlen lange Zeit sehr niedrig waren, steigen diese derzeit ebenfalls an. So rief angesichts des stärksten Anstiegs seit März - vergangenen Freitag waren 43 neue Corona-Infektionen gemeldet worden - der Rostocker Tropenmediziner Emil Reisinger die Menschen zur Vorsicht auf. Als hauptsächliche Infektionsquelle gelten Familienfeiern. »Da wird in der Regel keine Maske getragen und kein Abstand gehalten. Da fühlt sich das Virus wohl und wird übertragen«, so Reisinger am Montag. Zudem kämen Menschen als Verbreiter in Betracht, die aus Gebieten im In- und Ausland zurückkommen, in denen es viele Corona-Fälle gibt.

Zu Wachsamkeit rief am Montag auch die Bundesregierung erneut auf. »Die Dynamik nimmt zu«, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Es sei nötig, sehr aufzupassen. Weiterhin sei es das Ziel, die Fallzahlen so niedrig zu halten, dass die Gesundheitsämter Infektionsketten nachvollziehen und unterbrechen könnten, betonte Seibert. Am Montag kamen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die zuständigen Minister erneut im Corona-Kabinett zusammen. Beschlüsse seien dabei nicht gefasst worden, teilte Seibert mit. Allerdings seien Neuregelungen zu Tests und Vorschriften für Rückkehrer von Auslandsreisen vorbereitet worden, die Bund und Länder Ende August grundsätzlich vereinbart hatten.

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