• Berlin
  • Corona und soziale Folgen

Das Ende der Partymetropole

Rot-Rot-Grün führt ab Samstag in Berlin eine Sperrstunde ein, Bars und Kneipen müssen ab 23 Uhr schließen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die neuen Maßnahmen zur Bekämpfung der grassierenden Corona-Pandemie sollen am Samstag in Kraft treten - sie sind zunächst bis Ende Oktober befristet. Hauptziel des rot-rot-grünen Senats ist es, die zuletzt stark gestiegenen Infektionszahlen in der Hauptstadt zu reduzieren, indem Partys und Feiern eingeschränkt werden. Dazu führt Berlin eine Sperrstunde ein. »Im öffentlichen Raum im Freien wird die Personenzahl in der Zeit zwischen 23 und 6 Uhr auf fünf gleichzeitig anwesende Personen aus unterschiedlichen Haushalten oder Personen aus zwei Haushalten beschränkt«, heißt es in der neuen Infektionsschutzverordnung. Zudem werden private Veranstaltungen und private Zusammenkünfte mit mehr als zehn Personen verboten. Bars, Kneipen und Verkaufsstellen im Sinne des Berliner Ladenschutzgesetzes sind in dem genannten Zeitraum zu schließen. An Tankstellen dürfen nur Betriebsstoffe und Ersatzteile verkauft werden, Alkohol darf nicht mehr veräußert werden.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) verteidigte am Dienstagabend die schärferen Maßnahmen: »Ich bitte Sie alle einzuordnen, wie die Situation wäre, wenn wir nicht entschlossen handeln«, sagte er nach einer Sondersitzung des Mitte-links-Bündnisses. »Wir würden in eine Situation kommen, über kurz oder lang, wo wir noch ganz andere Maßnahmen ergreifen müssten in Richtung eines Lockdowns, wo es nicht Einschränkungen geben würde für die Gastronomie zum Beispiel, sondern überhaupt keine Möglichkeit mehr, gastronomische Betriebe aufrecht zu erhalten.« Zuletzt war Berlin von vielen anderen Länderregierungschefs wegen der steigenden Infektionszahlen massiv kritisiert worden (»nd« berichtete). Das Bundesland Schleswig-Holstein beispielsweise hatte sogar Bewohnerinnen und Bewohner von vier besonders stark betroffenen Berliner Bezirken Quarantäneauflagen erteilt, sollten diese in das nördliche Bundesland kommen.

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Das von Berlin eingeführte dreiteilige Ampelsystem, dass zur Einschätzung der Coronalage dient, wies zuletzt zwei rote Ampel aus. Sowohl die Zahl der Neuinfektionen als auch der sogenannte R-Wert, der die Reproduktionszahl angibt, also wie viele andere Menschen ein an Covid-19 Erkrankter ansteckt, stehen nun auf rot. Lediglich die Ampel für die zur Verfügung stehenden Intensivbetten in den Krankenhäusern ist derzeit noch auf grün, doch in den vergangenen Tagen nahm auch die Anzahl der Menschen in den Kliniken zu, die wegen der Lungenkrankheit behandelt werden müssen.

Angesichts der wachsenden Ausbreitung der Lungenseuche wird der Kurs des Senats von allen drei Regierungsparteien - SPD, Linke und Grünen - mitgetragen. Vizesenatschef und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) warnte vor schlimmeren Folgen, wenn jetzt keine Maßnahmen beschlossen würden: »Die Lage ist eindeutig sehr ernst«, sagte er.

Die Berliner FDP-Fraktion hat bereits Kritik geäußert. »Wenn der Berliner Senat die Corona-Maßnahmen nicht durchsetzen kann, macht auch eine weitere Verschärfung keinen Sinn«, erklärte der Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja. Sie treffe immer nur diejenigen, die sich an die Regeln halten, während die Regelbrecher weiter ungeschoren davonkämen. »Der Senat darf sich nicht länger von einer kleinen Minderheit, die nicht bereit ist, Verantwortung für ihre Mitmenschen zu übernehmen, auf der Nase rumtanzen lassen«, forderte Czaja. Der Senat dürfe grundlegende Freiheiten nicht ohne valide Datengrundlage und nur nach Bauchgefühl einschränken. »Jede Maßnahme muss angemessen und geeignet sein.« Alles andere bedrohe auch die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die FDP-Fraktion behalte sich vor, gegen die erneute Verschärfung der Corona-Maßnahmen zu klagen.

Berlins zuständige Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) verteidigte dagegen am Mittwochmorgen die Einschränkungen. »Das ist das Nachtleben in Berlin, was uns Probleme bereitet hat in den letzten Tagen und Wochen«, sagte Kalayci am Mittwochmorgen im RBB-Inforadio. Deswegen hätten sie gezielt Maßnahmen getroffen und sich dazu entschlossen, nächtliche Partys zu verbieten. »Aber insgesamt ist auch die Botschaft: Die Zeit der Geselligkeit ist vorbei. Die Lage in Berlin ist ernst«, sagte die Senatorin. Jeder Einzelne trage Verantwortung, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Mit Agenturen

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