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Expertin: Sterilisation von Frauen mit Behinderung oft nicht rechtens
Viele Frauen hätten zugestimmt, ohne vorher über den Eingriff, die Konsequenzen und Alternativen aufgeklärt worden zu sein
Köln. Die Zahl der sterilisierten Frauen mit Behinderung in Deutschland ist nach Ansicht der Juristin Julia Zinsmeister »erschreckend hoch«. 17 Prozent der Frauen mit Behinderung, die in einem eigenen Haushalt leben, hätten den Eingriff durchführen lassen, sagte die Professorin für öffentliches Recht an der TH Köln dem Evangelischen Pressedienst (epd). Genau so hoch sei die Zahl bei Frauen, die eine geistige Beeinträchtigung haben und im Heim leben. Sie alle hätten der Sterilisation zugestimmt. »Das wäre auch in Ordnung, wenn sich die Frauen der Tragweite dieser Entscheidung bewusst gewesen wären«, sagte sie. Aus der Praxis und aus Interviews mit den Frauen sei aber bekannt, dass das oft nicht der Fall ist.
Viele Frauen hätten zugestimmt, ohne vorher von den Ärztinnen und Ärzten über den Eingriff, die Konsequenzen und Alternativen aufgeklärt worden zu sein, kritisiert die Juristin. »Ich habe schon mehrfach erlebt, dass Frauen mit Behinderung zusammenbrachen, wenn sie später erfuhren, dass auch sie eine Familie gründen und Kinder haben dürfen«, sagte sie. Ihnen sei erzählt worden, dass das wegen ihrer Behinderung nicht möglich sei. Darum hätten sie dem Eingriff zugestimmt.
Zehntausende Menschen kritisieren diese Praxis und fordern in einer Petition die Streichung des Paragrafen 1905 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Paragraf erlaubt es, Menschen mit Behinderung unter strengen Bedingungen ohne ihre Einwilligung sterilisieren zu lassen. Unter anderem muss die betroffene Person dauerhaft einwilligungsunfähig sein und ein konkretes Schwangerschaftsrisiko bestehen. Im vergangenen Jahrzehnt hätten die Betreuungsgerichte jährlich zwischen 23 und 91 Genehmigungen erteilt.
Ob eine Streichung des Paragrafen sinnvoll ist, hänge davon ab, »ob bei fehlerfreier und völkerrechtskonformer Würdigung der Sach- und Rechtslage durch die Gerichte überhaupt Fälle verblieben«, sagte Zinsmeister. Falls dem so sei, stelle sich die Frage nach Alternativen. »Wenn die Pille danach nicht in Betracht kommt, bliebe nur ein Schwangerschaftsabbruch, gegebenenfalls sogar mehrere«, sagte sie.
Im Grunde liege das Problem nicht in den Gesetzen, sondern in ihrer Umsetzung, sagte die Juristin. Frauen mit Behinderung würden nicht in ihrem Kinderwunsch bestärkt und nur einseitig beraten. »Von ihnen wird nicht erwartet, Kinder zu bekommen, eher im Gegenteil, es wird ihnen nicht zugetraut«, sagte sie. In vielen Einrichtungen würden soziale und sexuelle Kontakte verhindert. »Da steckt meist gar kein böser Wille hinter, sondern Vorurteile«, betonte Zinsmeister. epd/nd
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