Fünfter Tropensturm in diesem Jahr

400 000 Menschen mussten in Vietnam evakuiert werden. Der Klimawandel trifft das Land schwer

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Leute verrammeln ihre Häuser«, postete ein Bewohner des Touristenstädtchens Hoi An in Zentralvietnam auf seinem Blog. Seit Dienstagabend 20 Uhr herrscht in Hoi An und in Danang eine totale Ausgangssperre. Am Mittwoch durfte niemand außer den im Rettungsdienst Tätigen das Haus verlassen.

Grund für die Ausgangssperre ist nicht etwa Corona, sondern der Taifun Malave, der seit der Nacht zum Mittwoch mit einer Geschwindigkeit von bis zu 150 Kilometer pro Stunde auf die zentralvietnamesische Küstenregion zubraust. Es ist bereits der fünfte Herbststurm in diesem Jahr und der stärkste seit 20 Jahren. Mindestens 132 Menschen kamen seit Anfang Oktober ums Leben, weitere werden vermisst. Häuser wurden durch die Fluten weggespült. Viele Menschen verloren ihre gesamte Habe. Vietnamesische Medien berichten zudem von fortgespülten Straßen, zerstörten Fischfarmen, Produktionsstätten und Elektroleitungen.

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Ministerpräsident Nguyen Xuan Phuc hat für Mittwoch die Evakuierung von bis zu 1,3 Millionen Menschen angeordnet, tatsächlich wurden rund 400 000 Menschen in Notunterkünften untergebracht. Fünf Flughäfen wurden vorübergehend geschlossen, Zugverbindungen eingestellt. Büros, Schulen und Unternehmen blieben zu.

Der Blogger in Hoi An ist stürmische Herbstwochen gewohnt. Denn Zentralvietnam, ein schmaler Küstenstreifen zwischen dem Südchinesischen Meer und den laotischen Bergen, wird jedes Jahr von schweren Stürmen mit Überschwemmungen heimgesucht, die häufig Menschenleben kosten. Doch in diesem Jahr hat die Sturmsaison nicht nur ungewöhnlich früh begonnen. Die Orkane sind zudem verheerender als sonst, die Wasserstände in vielen Gemeinden höher als in den Vorjahren. Entwarnung ist nicht in Sicht, über dem Südchinesischen Meer kündigt sich bereits ein weiterer Tropensturm an.

Die Küstenbewohner haben Übung darin, ihre Habe vor den Stürmen zu retten. Fischer stellen vor der Sturmsaison ihre Arbeit ein. Möbel werden in die oberen Stockwerke der Häuser getragen. Dächer werden beschwert, damit der Sturm sie nicht abträgt. Vielen hat das in diesem Jahr nichts genützt.

Zentralvietnam gehört zu den Regionen weltweit, die am stärksten vom globalen Klimawandel betroffen sind. Wo vor 20 Jahren im ländlich geprägten nördlichen Teil der Region noch Reis angebaut wurde, sind die Böden heute so versalzen, dass nur noch Gras und Erdnüsse wachsen. Die Armut führt zu einem Exodus der jungen Generation. Fast alle der vietnamesischen Asylsuchenden in Europa stammen von dort.

Das südliche Zentralvietnam um Hue, Danang und Hoi An hingegen ist touristisch geprägt. Das Meer hat aber in den letzten zehn Jahren nicht nur Strände, sondern ganze Hotelanlagen verschluckt. Neben globalen Gründen tragen hier auch lokale Umweltprobleme zu der Misere bei.

In Vietnam gibt es viel Solidarität mit den Sturmopfern. Es wurden Kleidung, Kinderspielzeug und Bettzeug gesammelt, dazu kommen Reislieferungen und Geld vom Staat. Schnelle Hilfe aus dem Ausland ist nicht möglich; wegen Corona hat Vietnam viele internationale Flugverbindungen eingestellt. Das Land ist seit September coronafrei.

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