Vorsicht: Gefälligkeitsattest vom Arzt

Tricks in Coronazeiten mit der Schutzmaske

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Verbraucher möchte sich vom Tragen eines für ihn lästigen Mund- und Nasenschutzes befreien lassen. Er überredet seinen vertrauten Hausarzt, ihm eine Erkrankung zu bescheinigen, die er gar nicht oder jedenfalls nicht in der entsprechenden Schwere hat.

Einige Zeit später wird Herr X eine Berufsunfähigkeitsversicherung bei einem Versicherungsmakler abschließen. Er füllt die entsprechenden Gesundheitsfragebögen aus. Selbstverständlich, ohne auf die attestierte Erkrankung hinzuweisen. Sie war ja nur ein »Fake«. Herr X wähnt seine kleine Welt in Ordnung. Doch dann passiert ein Unglück.

Pech gehabt. Einige Monate später kommt es nämlich dazu, dass der Versicherungsnehmer die Berufsunfähigkeitsversicherung tatsächlich in Anspruch nehmen muss. Das Unternehmen, bei dem Herr X einen Vertrag abgeschlossen hat, prüft seinen Antrag und findet in der Krankengeschichte von Herrn X die Diagnose einer schweren Lungenerkrankung (die auf das erschummelten Attest zurückgeht). Der Versicherer lehnt daher jegliche Leistung ab. Mit der Begründung, hier sei eine Vorerkrankung im Gesundheitsfragebogen unerwähnt geblieben. Und damit ist der Konzern, die Nummer drei auf dem deutschen Markt, fein raus.

Damit nicht genug. Herr X sieht sich auf einmal mit dem Vorwurf der arglistigen Täuschung konfrontiert, und sein einziger Zeuge, sein Hausarzt, wird kaum bereit sein, hierzu eine für ihn günstige Aussage zu machen. Schließlich hat der Mediziner mit dem Attest zur längst zurückliegenden Befreiung von der Maskenpflicht de facto Versicherungsbetrug begangen, etwa, weil er das falsche Attest bei der Krankenversicherung von Herrn X abgerechnet hat. Von der Ausstellung eines unrichtigen Attestes zivilrechtlich ganz zu schweigen.

Solche Beispiele zeigen, »dass aus einer vermeintlich kleinen Schummelei später existenzielle Schwierigkeiten erwachsen können«, warnt Sven-Wulf Schöller, Fachanwalt für Versicherungsrecht von der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht in Berlin. Wer sich aufgrund einer Erkrankung, beispielsweise der Lunge, vom Tragen eines Mund- und Nasenschutzes im Rahmen der Corona-Maßnahmen befreien lassen möchte, braucht dazu die konkrete ärztliche Diagnose eines Krankheitsbildes. Darauf verweist das Verwaltungsgericht Würzburg im Beschluss vom 16. September 2020 (Az. W 8 E 20.1301).

Wer sich ein solches Attest bei seinem Arzt besorgt, ohne dass die dort beschriebene Erkrankung vorliegt, handelt rechtswidrig und muss mit zivilrechtlichen, eventuell sogar strafrechtlichen Folgen rechnen.

Das gilt nicht allein für Corona-Atteste. Das Verwaltungsgericht weist in seiner Beschlussbegründung ausdrücklich darauf hin, dass die Pflicht zur konkreten Diagnose pauschale »Gefälligkeitsatteste« verhindern soll.

Wer nun hingeht, und seinen Hausarzt bittet, er möge doch eine vorhandene leichte Erkrankung für ein Befreiungsattest »aufbauschen« oder gar eine Erkrankung angeben, die gar nicht vorliegt, handelt nicht nur gesetzeswidrig, sondern kann sich damit auch für eine spätere Inanspruchnahme etwa einer Berufsunfähigkeitsversicherung selbst ein Bein stellen, wie der in Würzburg verhandelte Fall zeigt.

Gemäß Paragraf 278 Strafgesetzbuch (StGB) werden Ärzte, die wider besseres Wissen ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherung ausstellen, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Darauf weist die Landesärztekammer Hessen hin.

Begehre beispielsweise ein Patient - ohne krank zu sein - ein Attest, um nach Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung die Stornierung der Reise zu begründen, und stellt der Arzt das aus, macht er sich strafbar. Der Arzt muss mit Durchsuchung und Beschlagnahme rechnen, da die Staatsanwaltschaft durch Einsichtnahme in die Krankenakte ermitteln kann, ob Befunde erhoben wurden oder nicht.

Zudem muss der Arzt bei der Ausstellung eines Gefälligkeitsattests immer damit rechnen, so die Kammer, dass er sich gegenüber dem Arbeitgeber, der Krankenversicherung, der Behörde und so weiter schadenersatzpflichtig macht und in Regress genommen wird.

Die Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht warnt daher Verbraucher und Ärzte daher eindringlich davor, solche »Deals« einzufädeln oder sich darauf einzulassen.

Die Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht (www.davvers.de) ist Teil des Deutschen Anwaltvereins. Der DAV hat rund 600 Fachanwälte für Versicherungsrecht. Übrigens: Sowohl Ladengeschäfte als auch Restaurantbetriebe oder Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel haben das Hausrecht und können ein Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht ablehnen.

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