- Berlin
- Corona und wirtschaftliche Folgen
Zweite Welle bei Kurzarbeit
Weniger Berliner verlieren ihre Jobs, dennoch über 200 000 Arbeitslose
Mindestens jeder Zehnte ist im Pandemie-Herbst in Berlin arbeitslos. Im November 2020 waren bei den Jobcentern insgesamt 202 313 Arbeitslose gemeldet. Das sind 2479 weniger als im Vormonat und 53 538 mehr als noch vor einem Jahr. Hinzu kommen noch all diejenigen, die nicht als arbeitslos im Sinne des Sozialgesetzbuches gelten, weil sie an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teilnehmen oder in einem arbeitsmarktbedingten Sonderstatus sind. Das heißt, die Arbeitslosigkeit geht nach einem starken Zuwachs im Frühjahr und Sommer seit August im Zuge des Herbstaufschwungs wieder zurück.
Andererseits ist auch die Zahl der Anzeigen für Kurzarbeit im vergangenen Monat deutlich gestiegen, teilte die Bundesagentur für Arbeit am Dienstag mit. Dies dürfte eindeutig mit dem Teil-Lockdown seit Anfang November im Zusammenhang stehen. »Besonders die Bereiche Tourismus, Gastgewerbe, Teile des Handels und das Veranstaltungswesen müssen mit Umsatz- und Auftragseinbrüchen kämpfen«, erklärt entsprechend auch Bernd Becking, Leiter der regionalen Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg.
Eine intensive Nutzung von Kurzarbeit werde viele Unternehmen und Betriebe vor dem Schlimmsten bewahren und Arbeitsplätze erhalten, hoffte Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) am Dienstag. Allerdings müssten die Betriebe in der Zeit ihre Beschäftigten zum Beispiel mit Qualifizierungen versorgen. Wie diese Maßnahmen konkret die Lage der Kurzarbeitenden verbessern sollen, werde auch Thema beim Arbeitsmarktgipfel am kommenden Freitag sein, kündigte die Arbeitssenatorin an.
Breitenbach nannte die Lage »sehr ernst«. Es brauche mehr Perspektiven für arbeitslose Menschen, als positives Beispiel nannte sie das Solidarische Grundeinkommen, mit dessen Hilfe mittlerweile 1000 Menschen innerhalb von anderthalb Jahren in langfristige Beschäftigungsverhältnisse eingetreten seien.
Auch Bernd Becking rief die Unternehmen auf, die Zeit nach der Krise nicht aus den Augen zu verlieren. Die Periode der Kurzarbeit solle für Weiterbildung genutzt werden. Wie viele Menschen genau betroffen sind, wird erst in einigen Monaten feststehen. So weiß man aktuell, dass im August in Berlin 106 355 Menschen in Kurzarbeit waren.
Weitaus dramatischer stellt sich nach wie vor die Lage auf dem Ausbildungsmarkt dar. Im Zuge der Bemühungen, Ausbildungsplätze nachzubesetzen, zeige sich, dass durch die Coronakrise die Bereitschaft der Betriebe zur Ausbildung noch weiter sinke. »Mit Blick auf die Fachkräftesicherung ist das ein Desaster«, erklärte Arbeitssenatorin Breitenbach. Mit Stand 31. Oktober waren 20 232 Bewerber*innen für eine Berufsausbildungsstelle gemeldet. Dem stehen 14 859 gemeldete Azubi-Stellen gegenüber, nur 11,2 Prozent der Betriebe in der Hauptstadt bilden noch aus.
Deshalb sollen in den zwölf regionalen Standorten der Arbeitsagenturen wieder persönliche Beratungen unter Berücksichtigung der Hygienevorgaben angeboten werden, teilte die Sozialverwaltung mit. Sie werde darüber hinaus ein Modellprojekt unter Federführung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie kofinanzieren, in dessen Rahmen Auszubildende mit Wohnraum versorgt werden. Denn eine Ausbildungsstelle in der Hauptstadt zu finden, ist beileibe nicht die einzige Schwierigkeit: Sowohl für Jugendliche, die bei ihren Eltern wohnen, als auch für auswärtige Jugendliche, die eine Berufsausbildung in Berlin antreten möchten, stellt die Unterkunftsfrage ein riesiges Problem dar.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.