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Signale der Stärke

Mit dem 3:2 gegen Manchester United schafft Leipzig erneut den Achtelfinaleinzug

  • Ullrich Kroemer, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.

Feierlichkeiten außer Haus sind ja in diesen Tagen nicht möglich, also funktionierten die Spieler von RasenBallsprt Leipzig einfach ihre Kabine zur Disco um. Torhüter Peter Gulacsi und Amadou Haidara sprangen euphorisiert zum Klassiker »La Bamba« auf den Kabinentisch, der zur Tanzfläche wurde. Die Kollegen ließen dazu je nach tänzerischem Vermögen die Hüften kreisen oder wippten lautstark mitsingend mit.

Das 3:2 (2:0) gegen Manchester United und der damit verbundene zweite Achtelfinaleinzug in der Champions League der elfeinhalbjährigen Klubgeschichte setzte bei den Leipzigern so große Freude frei, wie bei den Triumphen gegen Tottenham im März oder dem Coup gegen Atlético Madrid im Viertelfinale im August. Umso mehr, weil RB das Spiel nach einer 3:0-Führung um ein Haar noch hergeschenkt hätte: Manchester United hatte in der Schlussviertelstunde mit Macht aufs Leipziger Tor gedrückt - Gulacsi musste noch in der Nachspielzeit in höchster Not einen Querschläger von Nordi Mukiele parieren. Ein Moment, der zwischen Party- und Pleitenstimmung entschied.

RB erspielte, erkämpfte und erzitterte sich die Fete - in dieser Reihenfolge. Selten hat der Beastie-Boys-Song »Fight for your right (to party)«, den Stadionsprecher Tim Thoelke stets nach dem Abpfiff spielt, besser gepasst. Und nie haben die Fans seit dem Lockdown im März mehr gefehlt, um dieses Aufregerspiel noch zu verstärken. Denn die Leipziger zeigten in dieser entscheidenden Partie alles, was das RB-Spiel derzeit ausmacht. Trainer Julian Nagelsmann hatte in seinem wiederholt gelungenen Matchplan Schwächen der Gäste bei Spielverlagerungen auf die ballferne Seite ausgemacht. Über die rechte Flanke leitete RB die Angriffe ein, über Links wurde es dann gefährlich. Genau das hatte Nagelsmann mit seinem Team besprochen - und genau so fielen die Tore, weil Kapitän Marcel Sabitzer & Co. die Idee ballsicher und ständig rotierend ohne echten Stürmer glänzend umsetzten.

»Was für eine spezielle Nacht - insbesondere gegen diesen Gegner«, jubelte Matchwinner Angeliño, der in der furiosen Startphase der Leipziger in der zweiten Minute ein Tor selbst schoss und die Treffer für Amadou Haidara (13. Minute) und Justin Kluivert (69.) auflegte. Angeliño hat als Leihspieler von Manchester City eh ein gespaltenes Verhältnis zum Erzrivalen Manchester United. Dazu hatte United die Leipziger beim 0:5 vor sechs Wochen mit der höchsten Niederlage der Klubgeschichte nach Hause geschickt.

Im Rückspiel bekam das Team von Ole Gunnar Solskjaer den stürmenden Linksverteidiger nie in den Griff. Als »Joker« hat er die Aufgabe, sich freizustehlen und dann entweder selbst abzuschließen oder ins Strafraumzentrum zu flanken. Zwölf Scorerpunkte hat der Nordspanier in dieser Spielzeit bereits gesammelt und ist nach dem Abgang von Timo Werner der Schlüsselspieler in der Leipziger Offensive. »Der Stil, das Team, die Idee - das ist perfekt für mich, deswegen bin ich nach Leipzig zurückgekehrt«, sagte er. Wenn er eine bestimmte Anzahl an Spielen absolviert, wird er zur kommenden Saison ganz nach Leipzig transferiert werden.

Da RB nach dem furiosen Start aber zu inaktiv wurde und sich von Manchester die Spielkontrolle abnehmen ließ, zeigte die Partie auch, was die Leipziger noch nicht immer beherrschen: Vorsprünge clever verwalten und die aktuell zu vielen Gegentore - acht in den vergangenen drei Spielen - zu vermeiden. »Man sieht immer noch, dass wir eine junge Mannschaft sind, dass wir gerade gegen Ende noch nicht abgezockt sind«, räumte Verteidiger Willi Orban ein, der in der Defensive über sich hinauswuchs. »Wir machen Schritte, aber das braucht Zeit.«

An der Reife arbeitet RB also noch, aber die spielerische Qualität, um Topteams wie Paris St. Germain und eben Manchester United zu bezwingen sowie gleichzeitig in der Bundesliga die Bayern zu ärgern und gegen Bielefeld nicht zu patzen, hat das Team mittlerweile. Dass die Leipziger nun auch in dieser starken Gruppe weitergekommen sind, hat einen ebenso großen Stellenwert wie die Siege in der K.o.-Phase der vergangenen Saison. Wenn die Mannschaft offensiv explodiert wie am Dienstagabend, ist RB derzeit eines der spektakulärsten und am schwersten zu bespielenden Teams in Europa.

Trainer Nagelsmann befand: »Der Sieg ist sehr bedeutend für die Jungs, dass sie realisieren, dass wir kein One-Hit-Wonder waren.« Den erneuten Schritt unter die 16 besten Teams Europas wertete Orban als »Ausrufezeichen und starkes Signal«. Der Trainer dachte da schon über diesen Erfolg hinaus. Dass die Halbfinalteilnahme in der Vorsaison keine »Eintagsfliege« war, sei wichtig, »um Spieler an den Klub zu binden und neue zu finden«, befand Nagelsmann. Mit RB ist nun wohl dauerhaft in der europäischen Beletage zu rechnen. Wohin das in dieser Champions-League-Saison noch führen kann? »Wenn wir so kämpfen wie heute - wer weiß?«, sagte Angeliño bedeutungsvoll.

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