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Das Auto als Corona-Gewinnler

Abstand ist das Gebot der Stunde. Entsprechend populär ist anno 2020 die Anreise mit dem eigenen Pkw. Camping boomt, ebenso werden Ferienhäuser immer populärer.

  • Rasso Knoller
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Coronakrise kennt in der Tourismusbranche eigentlich nur Verlierer. Reisewarnungen und Beherbergungsverbote sorgten für sinkende Urlauberzahlen und entsprechende Einnahmeverluste. Selbst Urlaubsziele in den Bergen oder an der See, die im Sommer ausgebuchte Betten melden konnten, werden zum Jahresende ein dickes Minus ausweisen. Längerfristig könnten aus der Krise aber einige Urlaubsarten als heimliche Gewinner hervorgehen. Dann nämlich, wenn Corona das Reiseverhalten nicht nur kurz-, sondern auch mittel- und gar langfristig verändert.

Das eigene Haus in der Fremde

In den eigenen vier Wänden fühlen sich die meisten gut geschützt vor Corona. Da scheint es nur logisch, dass Ferienhausurlaube im Sommer 2020 besonders populär waren. So kann man auch in der Fremde mit Sicherheitsabstand entspannen. In einer repräsentativen Umfrage des Anbieters Novasol gaben 55 Prozent aller Urlauber an, dass sie sich in einem Ferienhaus am besten vor einer Ansteckung durch das Coronavirus schützen können. Viele Erstbucher wollen nach den positiven Erfahrungen dieses Jahres auch zukünftig wieder Urlaub im Ferienhaus verbringen. »Das Ferienhaus wird eindeutig lifestyliger werden«, ist Markus Diefenbach, der Marketingchef von Novasol überzeugt. Und: »Wir erwarten für Deutschland Zuwächse sowohl beim Angebot als auch bei der Nachfrage. Im Rückblick wird man wahrscheinlich einmal sagen: 2020 war der Durchbruch für den Ferienhausurlaub in Deutschland.«

Schutzraum Auto

So wenig Kontakt wie irgend möglich, wünschen sich viele Urlauber schon während der Anreise. Deswegen erlebt das Auto, als eine Art fahrender Schutzanzug, eine schier unglaubliche Renaissance. Während vor der Coronakrise die Deutschen ähnlich oft mit dem eigenen Wagen und dem Flugzeug in den Urlaub reisten - 35,6 Prozent entschieden sich für die eine Art der Anreise, 32,0 Prozent für die andere - lauten jetzt die entsprechenden Zahlen 53,6 Prozent versus 10,8 Prozent. Das Auto hat also auf Kosten des Flugzeugs enorm an Popularität gewonnen. Kurzfristig liegen die Beweggründe auf der Hand - wer mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs ist, kann auf coronabedingte Einschränkungen und Warnhinweise schneller reagieren und ist nicht auf das Wohlwollen von Reiseanbietern oder Fluglinien angewiesen. Schlimmstenfalls bricht der Autotourist einfach seinen Urlaub ab und fährt zurück nach Hause. Viele Flugreisende waren dagegen zu Beginn der Coronakrise sogar auf Rückholflüge des Außenministeriums angewiesen. Da sitzt der Schock immer noch tief. Zumindest mittelfristig scheint sich der Trend zu mehr Flexibilität und Kurzfristigkeit bei der Urlaubsplanung zu bestätigen. Obwohl die Veranstalter massiv mit Rabatten locken, scheint die Zeit des Frühbuchers auf absehbare Zeit vorbei.

Sweet Home auf Rädern

Darauf, dass es sich beim Urlaub mit dem eigenen Gefährt um einen längerfristigen Trend handeln könnte, deuten auch die seit Jahren zunehmenden Zahlen bei den Wohnmobilkäufen hin. Während 2013 noch etwa 350 000 Deutsche mit ihrem rollenden Heim unterwegs waren, waren es 2019 mehr als eine halbe Million. Alexander Wehrmann, Leiter PR bei Carthago, einem Reisemobilbauer im Premium Segment, stellt einen generellen Imagewandel fest. Er sagt: »Wenn ich vor zehn Jahren vom Wohnmobilurlaub erzählt habe, wurde ich oft gefragt, ob ich mir keinen richtigen Urlaub leisten kann.« Heute dagegen sei Carvaning »hipp«. Verstärkt wurde dieser Trend dadurch, dass während der Coronakrise die Klientel für Campingurlaub deutlich jünger wurde. Viele junge Leute haben Ferien im Wohnmobil einfach mal ausprobiert, sagt Wehrmann und ergänzt: »Wenn alle, die in diesem Jahr mit dem Reisemobil unterwegs waren, bei dieser Urlaubsform bleiben, hätten wir für Jahrzehnte ausgesorgt.«

Es geht aber auch eine Nummer kleiner - das eigene Haus kann auch nur aus Planen bestehen. Auch Zelturlaub wird beliebter. Marcel Brunnthaler, PR-Berater aus München, hat sich im Coronasommer ein Dachzelt für seinen SUV gekauft und schwärmt von der neuen Flexibilität beim Reisen: »Eine Woche nachdem ich das Zelt gekauft hatte, wurde fast ganz Europa zum Risikogebiet erklärt. Da habe ich einfach geschaut, wo ich noch hinfahren darf und so bin ich in Liechtenstein gelandet.«

Es folgten noch einige Spontanausflüge dieser Art - auch in den bayerischen Alpen und am Gardasee war Brunnthaler schon. Auf sein Dachzelt wird er auch in den Zeiten nach Corona nicht verzichten. Für das kommende Jahr plant er eine Reise durch Skandinavien.

Erlebnis Natur

Zum Boom von Zelt- und Wohnmobilurlaub passt auch der Trend hin zu einem Urlaub in und mit der Natur. Den jedenfalls sieht Christian Hlade, der Gründer des österreichischen Wanderreiseveranstalters Weltweitwandern. Er ist überzeugt, dass sich die Coronapandemie langfristig positiv auf die Nische der Wanderreisen auswirken wird. Momentan läuft sein Unternehmen zwar auf Sparflamme. »2020 haben wir lediglich 4 Prozent des Vorjahresumsatzes erreicht«, so der Grazer Mittelständler. Er sagt voraus, dass das Reisen wegen der steigenden Flugpreise längerfristig teurer werde, gleichzeitig aber auch »wertvoller«. Hlade glaubt, dass die Gruppe der Menschen, die echte Erlebnisse sucht und bewusster reist, zunehmen wird. »Die Reisen werden länger werden«, so Hlade. Wie Andreas Wehrmann im Bereich Wohnmobil, beobachtet auch Christian Hlade in seinem Segment der Wanderreisen eine Verjüngung der Klientel und freut sich: »Singles und junge Paare sind eine gute Zielgruppe für uns.«

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