Machtkampf in Nepal eskaliert

Die plötzliche Parlamentsauflösung stürzt den Himalayastaat in eine politische Krise

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Krise begann sich im Laufe des Sonntags zu entfalten und spitzte sich zu Beginn der neuen Woche weiter zu. Staatsoberhaupt Bidya Devi Bhandari hatte dem Vorstoß des Regierungschefs Khadga Prasad Sharma Oli auf Parlamentsauflösung und um rund ein Jahr vorgezogene Neuwahlen zugestimmt - die finden demnach schon am 30. April und 10. Mai in zwei Wahlgängen statt. Die Verfassungsmäßigkeit des ganzen Vorgangs ist aber umstritten, und die Proteste nehmen stetig zu. Noch am Sonntag tagte das Standing Committee, das höchste Gremium der Nepalesischen Kommunistischen Partei. Von einigen wichtigen Oli-Getreuen und ihm selbst boykottiert, votierte eine Mehrheit der Anwesenden dafür, dem Premier und Parteichef »disziplinarische Maßnahmen« anzudrohen: Am Dienstag verkündeten sowohl »Himalayan Times« als auch »Kathmandu Post«, dass : Madhav Kumar Nepal statt Oli zum neuen Co-Parteichef gewählt wurde.

Die jüngsten Ereignisse sind der vorläufige Höhepunkt eines internen Machtkampfes in der Partei, der sich über Monate immer weiter verschärft hat. Auf der einen Seite steht Oli, auf der anderen der einstige maoistische Anführer Pushpa Kamal Dahal alias Prachanda, der in Partei wie Regierung sein Stellvertreter ist. Die heutige NCP ist das Ergebnis einer weitgehenden Wiedervereinigung des zuvor zersplitterten kommunistischen Lagers, das mit den Wahlen vor vier Jahren einsetzte. Damals waren die beiden größten Parteien, die Vereinigten Marxisten-Leninisten (CPN-UML) und Dahals Kommunistische Partei Nepals-Maoistisches Zentrum (CPN-MC) erstmals mit gemeinsamen Listen angetreten und hatten deshalb auf nationaler Ebene ebenso wie in den Provinzen einen haushohen Sieg eingefahren. Der darauf folgende organisatorische Vereinigungsprozess der beiden Parteien rumpelte zwar ein wenig, weil die Fusion ganz auf Augenhöhe mit den Wahlergebnissen, bei denen die Maoisten in der internen Ergebnisverschiebung einige Federn lassen mussten, dieses Fifty-Fifty-Verhältnis eigentlich nicht deckten. In der Folgezeit traten die beiden Anführer aber zumindest nach außen hin und auch in den Gremien in beinahe schon harmonisch wirkender Eintracht auf.

Dass damit ungelöste Konflikte nur überdeckt wurden, war vielen klar, und 2020 brachen diese nun immer sichtbarer durch. Dahals Lager verlangte personelle Verschiebungen im Kabinett, Oli als Parteichef boykottierte schon zuvor wiederholt Vorstandssitzungen oder setzte Entscheidungen aus. Die Risse verlaufen dabei nicht nur entlang der Zugehörigkeit zu den einst fusionierten Parteien - Dahal hat beispielsweise auch Unterstützung der Ex-Premiers Madhav Kumar Nepal und Jhala Nath Kanal, zwei alte Widersacher Olis aus der UML. Sieben Minister aus diesem Lager sind zurückgetreten, NCP-Abgeordnete wählten Dahal inzwischen zum Fraktionschef.

Protestaktionen in dem zwischen den übergroßen Nachbarn China und Indien eingeklemmten Himalayastaat gab es vielerorts. Allein in der Hauptstadt Kathmandu nahm die Polizei am Montag 16 Personen fest. Von einem »Betrug« an der Demokratie durch den Schritt von Oli und Bidya sprach die größte Zeitung »Kathmandu Post« - und erinnerte an ähnliche Vorstöße mehrerer Regierungen seit 1994, die am Ende allesamt scheiterten. Zumindest drei Jahre seltener Stabilität und Ruhe scheinen nun vorbei. Beim Verfassungsgericht gingen bereits 13 Anträge ein, die Entscheidung zu prüfen.

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