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Von wegen neue Freundschaft
Peter Steiniger zur späten Einigung auf einen Brexit-Handelspakt
Der Poker zwischen Großbritannien und der EU um die Modalitäten ihrer Scheidung ist vorüber. Beide Seiten loben den Handelspakt als historisch und rufen sich zum Sieger des Spiels aus. Auf den Hader soll eine neue Ära der Freundschaft mit dem Inselstaat folgen. Das können sie dem Weihnachtsmann erzählen. Von einer gütlichen Einigung mit zwei Gewinnern kann nach dem langen und knallhart geführten Streit keine Rede sein, auch wenn zum Ende der Übergangszeit nach dem Brexit in der Neujahrsnacht der ganz große Knall nun ausbleibt.
Für große Akteure begrenzt der Deal die Auswirkungen, die ein härterer Brexit bedeutet hätte. Der Lkw-Stau bei Dover nach Schließung der Grenzen hat allen Seiten noch mal die Instrumente vor Augen geführt. Wie weich die Landung tatsächlich wird, muss auf den 1246 Seiten des Vertragstextes noch studiert werden. Politisch bleibt das neue Verhältnis zwischen EU und Großbritannien zerrüttet. Die Abwendung der Briten vom Kontinent bedeutet auch eine stärkere Orientierung am kriegerischen großen Bruder auf der anderen Seite des Atlantiks. Dass die Briten nicht mehr dabei sind, schwächt die EU intern und im Kampf gegen internationale Konkurrenz. Industriepolitisch bekommt sie neue vor der Tür.
Brexit bleibt Brexit: Er trifft Johnsons Staatsvolk selbst, das sich mehrheitlich seinen Lügenmärchen und damit noch stärker neoliberaler Politik ausgeliefert hat. Für die Briten wird es schwerer, zum Leben und Arbeiten nach EU-Europa zu flüchten. Verlierer sind die Arbeitsmigranten und zig Tausende auf beiden Seiten des Kanals, die über das gemeinschaftsstiftende Erasmus-Programm studieren.
Wenn es ums Geschäft geht, hat die Demokratie zu warten: Das Europaparlament, zum Statisten degradiert, darf das Vertragswerk netterweise im Nachhinein ratifizieren.
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