Ratschläge vom Kapital

Die Politik gibt Milliarden für Beraterverträge aus - der Nutzen ist fraglich

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die US-Investmentgesellschaft Blackrock residiert in der belgischen Hauptstadt Brüssel in einer noblen Gegend. In direkter Nachbarschaft befinden sich die Botschaften Südafrikas, Kanadas und Australiens. Noch wichtiger dürfte für die Vertreter von Blackrock aber sein, dass auch der Weg zur EU-Kommission nicht weit ist. Die sitzt im Berlaymont-Gebäude, das sich im so genannten Europaviertel befindet. Die Bande, welche die Lobbyisten des größten Investmentfonds der Welt mit der Kommission geschlossen haben, sind offenbar eng.

Im März vergangenen Jahres hatte die Exekutive der Europäischen Union den Vermögensverwalter aus den USA damit beauftragt, eine Studie über die Integration von umweltpolitischen und sozialen Faktoren in den aufsichtsrechtlichen Rahmen für den EU-Bankensektor durchzuführen. Für diese Studie hatte es noch acht weitere Bewerber gegeben, die von der Kommission aussortiert worden waren. Nachdem Nichtregierungsorganisationen und Teile des EU-Parlaments gegen diese Entscheidung protestiert hatten, erhielt die EU-Kommission Ende November eine Rüge. Die europäische Ombudsfrau Emily O’Reilly sah das Risiko eines Interessenkonflikts.

Darüber hinaus ist es widersprüchlich, dass ausgerechnet Blackrock künftig Vorschläge dazu machen soll, wie man Banken in Europa dazu bringen kann, stärker als bisher in nachhaltige Energien zu investieren statt in Kohle, Gas und Öl. Das belegt auch ein Bericht, den 18 Nichtregierungsorganisationen vor wenigen Wochen veröffentlicht haben. Darin werden zwölf für Klima- und Umweltschutz besonders verheerende Kohle-, Öl- und Gas-Projekte beleuchtet, die zurzeit geplant oder erweitert werden. Es geht unter anderem um Gasförderung in Mosambik, Bohrungen im Permischen Becken in den USA sowie die Kohleexpansion in den Philippinen. Blackrock ist demnach der Hauptinvestor der Kohle-, Öl- und Gasunternehmen aus dem Bericht und hält Anleihen und Aktien im Wert von 110 Milliarden US-Dollar.

Angesichts dieser Bilanz ist es für Unternehmen wie Blackrock besonders wichtig, dass sie prominente Fürsprecher in der Politik haben. Friedrich Merz, der in der kommenden Woche zum CDU-Vorsitzenden gewählt werden will, hatte den Finanzgiganten im März vergangenen Jahres verlassen. Dort war er unter anderem als Aufsichtsratsvorsitzender tätig. Noch heute redet Merz wie ein Lobbyist über seinen früheren Arbeitgeber. Er lobte kürzlich in der ARD-Talkshow von Moderatorin Anne Will, dass sich Blackrock so geäußert habe, »dass zum Beispiel ökologische, soziale und gesellschaftliche Themen eine Rolle spielen - auch in den Kapitalmärkten«.

Der Auftrag für Blackrock wirft auch Fragen auf, wie nahe die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, eine Parteikollegin von Merz, dubiosen Unternehmen steht. Die Glaubwürdigkeit der Versprechen von der Leyens in der Klimaschutzpolitik dürfte dadurch jedenfalls schweren Schaden genommen haben. Hinzu kommt, dass sie bereits während ihrer Zeit als Bundespolitikerin in eine Berateraffäre verstrickt war. Im Jahr 2014 hatte die CDU-Politikerin Katrin Suder zur Rüstungsstaatssekretärin ernannt. Sie ist eine ehemalige Mitarbeiterin von McKinsey. Die Brücken zu der Unternehmensberatung hat Suder offenbar nie abgebrochen. So landeten öffentliche Aufträge aus dem Verteidigungsministerium in privaten Händen, auch bei McKinsey.

Problematisch ist daran nicht nur, dass manche Aufträge offenbar ohne formelle Ausschreibung vergeben wurden, sondern auch, was für Unternehmen vom Staat auf diesem Wege gepäppelt werden. McKinsey hat unter kritischen Beobachtern von Wirtschaft und Finanzwelt einen ähnlich schlechten Ruf wie Blackrock. Wenn die Firma als Beraterin von Unternehmen hinzugezogen wird, drohen oft Kürzungen und Stellenabbau. Die eiskalten Berechnungen von McKinsey, bei denen menschliche Existenzen in der Regel nicht allzu viel zählen, haben vor einigen Jahren auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufhorchen lassen. Das BAMF gab bei der Unternehmensberatung einen Maßnahmenkatalog für eine »konsequentere Rückführung« ausreisepflichtiger Ausländer in Auftrag.

Doch zurück zu Ursula von der Leyen. Für sie kam der auch von Angela Merkel eingefädelte Wechsel nach Brüssel vor etwas mehr als einem Jahr genau zum richtigen Zeitpunkt, um in Berlin aus der Schusslinie zu kommen. Im Bundestag war ein Untersuchungsausschuss zu ihrer Berateraffäre eingerichtet worden. Sie hatte eingeräumt, dass in ihrem Ministerium Fehler gemacht worden seien. Die unmittelbare Verantwortung sah von der Leyen jedoch nicht bei sich selbst. Die Entscheidungen seien unterhalb ihrer Ebene getroffen worden. Dieser Einschätzung schlossen sich auch Union und SPD in ihrem Abschlussbericht zum Ausschuss im Sommer vergangenen Jahres an und entlasteten damit die Politikerin.

Allerdings haben die Veröffentlichungen über das Beraterunwesen noch ein Nachspiel. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat Ende 2020 beschlossen, dass die Zahl der externen Berater in den Ministerien reduziert werden muss. Die Kosten hierfür waren nämlich explodiert. Seit 2006 hat die Bundesregierung mindestens 1,2 Milliarden Euro für externe Berater ausgegeben. Allerdings dürften die Kosten noch höher sein. Denn die entsprechenden Unterlagen müssen nur fünf Jahre aufbewahrt werden.

Fast zeitgleich hat man sich in der EU auf etwas mehr Transparenz geeinigt. Nach Besprechungen von Vertretern des Europäischen Parlaments, der Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission soll es künftig ein verbessertes Register für Lobbyisten geben. Nur diejenigen, die sich in dieses Register eintragen, sollen Zugang zu den Entscheidern bekommen. Allerdings muss man davon ausgehen, dass weiterhin dubiose Aufträge erteilt werden. Jedenfalls solange lobbynahe Politikerinnen wie Ursula von der Leyen in mächtigen Positionen sind.

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