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Kostenklauseln in vielen Verträgen rechtswidrig

Die umstrittene Riester-Rente

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die umstrittene Riester-Rente ist für Finanzdienstleister ein riesiges Geschäft Rund 3 Milliarden Euro hat die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen allein für das Beitragsjahr 2017 an die Riester-Anbieter überwiesen. Ein Rekordwert! Seit dem Jahr 2002, als die sogenannte Riester-Rente von der rot-grünen Bundesregierung eingeführt worden war, summierte sich die staatliche Förderung auf 30 Milliarden Euro. Dies geht aus kürzlich vom Bundesfinanzministerium in Berlin vorgelegten Zahlen zur Riester-Zulagenförderungen hervor.

Von den Milliarden-Zuschüssen entfiel gut die Hälfte auf Kinderzulagen. Die Zuschüsse verteilten sich auf über 10 Millionen der zum Stichtag 31. Dezember 2017 rund 16,6 Millionen Riester-Sparer in Deutschland. Damit bekam seinerzeit aber auch mehr als jeder Dritte von ihnen gar keine staatliche Geldförderung zu seinem Vertrag.

Die Fristen

Die Zulagen werden nicht automatisch auf den Riester-Vertrag überwiesen. Sie müssen über den Anbieter des Riester-Vertrages bei der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) beantragt werden und werden dann dem Vertrag gutgeschrieben. Der entsprechende Antrag kann einmal jährlich gestellt werden. Die Riester-Zulage für ein bestimmtes Jahr bekommt man, wenn der Antrag bis Ende des übernächsten Jahres eingereicht wurde. Die Frist für die Zulage des Jahres 2020 läuft also Ende 2022 ab.

Es ist auch ein Dauerzulagenantrag möglich. Dann ist dem Anbieter aber jede Änderung, z. B. die Geburt eines Kindes, mitzuteilen. BdV/nd

Wo bleibt der »Löwenanteil«?

Der Löwenanteil des Staatsgeldes floss im Beitragsjahr 2017 auf das Konto von Versicherungsgesellschaften, hat das »Versicherungsjournal« ermittelt. Bei den Versicherern landeten 1,6 Milliarden Euro. Ein Sechstel floss in die Kassen der Kapitalanlage-Gesellschaften, ein Siebtel entfiel auf Bausparkassen und ein Dreizehntel auf die übrigen Kreditinstitute.

Das gesamte Beitragsvolumen (Summe aus Eigenbeiträgen/Tilgungen und Zulagen) gibt das Ministerium für das Beitragsjahr 2017 mit 11,6 Milliarden Euro an. Ein Milliardenbetrag, mit dem die Finanzdienstleister ihre Geschäfte machen können.

In der Kritik stehen auch die hohen Kosten, die viele Anbieter ihren Kunden berechnen. Nicht immer geht es dabei mit rechten Dingen zu. Weil sie in einem laufenden Riester-Sparvertrag für die Auszahlung der Rente plötzlich Gebühren zahlen sollten, beschwerten sich viele Verbraucher bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Diese prüfte die Verträge und stellte fest, dass bestimmte dort verwendete Klauseln nicht zulässig sind.

Gegen mehrere Anbieter leitete die Verbraucherzentrale rechtliche Schritte ein. In ersten Urteilen gaben die Gerichte der Verbraucherzentrale Recht (Landgericht Kaiserslautern, Az. 2 O 850/19 sowie Landgericht Dortmund, Az. 25 O 8/20 - beide sind rechtskräftig). Die von den Gerichten als unzulässig bewerteten Klauseln verwandten die Kreissparkasse Kaiserslautern und die Sparkasse Westmünsterland in »Vorsorge Plus«-Verträgen.

Die Klausel, die den Übergang in die Phase der Rentenzahlung regeln soll, lautet: »Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggfs. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet.«

Finanzbranche will Reform

Eigentlich sind die Anbieter von Riester-Verträgen gesetzlich verpflichtet, vor (!) Vertragsschluss über anfallende Kosten zu informieren. »Aus dieser Klausel geht aber weder hervor, in welcher Höhe Kosten verlangt werden, noch, wer diese dann in Rechnung stellt«, kritisiert Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, und betont: »Derart unbestimmte Klauseln sind klar rechtswidrig.«

Das gelte nicht allein für Riester-Sparverträge von Sparkassen, sondern auch für »VR-Rente Plus«-Verträge von Volks- und Raiffeisenbanken. Kunden vergleichbarer Sparverträge können sich nun mit einem Musterbrief gegen die zusätzlichen Kosten wehren (Musterbrief unter www.vz-bw.de/node/53563).

Dass die Riester-Rente gescheitert ist, gilt vielen Verbraucherschützern als Allgemeinplatz. Nun hat sich auch der Ökonom Bert Rürup (SPD) gegen die einst von ihm mitentwickelte Riester-Rente gewandt. In einem Kommentar für das »Handelsblatt« kritisiert Rürup kürzlich, dass die Riester-Rente nicht verpflichtend eingeführt worden sei. Das zwinge die Finanzdienstleister, dafür zu werben - und das koste eben viel Geld.

Am eigentlichen Fehler, die Teilprivatisierung der gesetzlichen Rente, will Rürup genau wie die Finanzbranche aber festhalten. Der Staat solle nur die Garantien lockern, dann würde Riestern trotz Niedrigzinsphase wieder attraktiv - vor allem für die Branche. Für manchen Sparer ist die Riester-Rente trotz allem attraktiv. Insbesondere gilt dies für gut verdienende Singles, Geringverdiener und für Familien mit Kindern.

Interessant für Familien mit Kindern

Für Familien mit Kindern lohnen sich vor allem die Zulagen, auf die, unabhängig von Einkommen, Anspruch besteht. Einer Familie mit zwei ab 2008 geboren Kindern stehen 600 Euro »Kinderzulage« zu. Durch die staatlichen Zulagen reduziert sich der Sparbeitrag - der sogenannte Mindesteigenbeitrag -, der aus eigenen Mitteln aufgewendet werden muss, erheblich. Auch für Geringverdiener ohne Kinder, deren geringfügige Beschäftigung nur kurz- oder mittelfristig angelegt ist, kann die Riester-Rente interessant sein.

Aufgrund des geringen Einkommens ist der Mindesteigenbeitrag niedrig. Die Zulage in Höhe von 175 Euro gibt es auf jeden Fall. Wer allerdings dauerhaft geringfügig beschäftigt ist, so warnen die Verbraucherzentralen, wird im Alter auch nur eine geringe gesetzliche Rente erhalten, die wohl unterhalb der sogenannten Grundsicherung liegt.

Ausführliche Informationen finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung (https://riester.deutsche-rentenversicherung.de/DE/Lohnt-sich-Riester/Staatliche-Foerderung-fuer-Sie/staatliche-foerderung-fuer-sie_node.html).

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