»Staatlich sanktioniertes Greenwashing«

Gisela Burckhardt von Femnet über erste Erfahrungen mit dem neuen Textilsiegel »Grüner Knopf« und nötige Nachbesserungen

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

Im September 2019 wurde der »Grüne Knopf« vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) als neues Textilsiegel vorgestellt. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?
Es gab von vornherein zwei Punkte, die wir von Femnet kritisiert haben: zum einen, dass nicht die gesamte Lieferkette unter die Lupe genommen wird, zum anderen, dass die Frage nach einem menschenwürdigen Lohn nicht aktiv gestellt wird. Das hat unsere Freude über die generell positive Initiative des BMZ getrübt.

Ein Jahr nach Vorstellung des Siegels haben Femnet und die Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye nun untersucht, inwieweit die 31 beteiligten Unternehmen ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen. Was ist das Ergebnis?
In der Satzung des Grünen Knopfes ist fixiert, dass die Unternehmen öffentlich berichten sollen, wie sie den Kriterien nachkommen. Das ist aber nur partiell und vollkommen unzureichend der Fall, was wir in unserer Studie nachweisen. Der Grüne Knopf orientiert sich an den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie dem OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten in der Bekleidungs- und Schuhwarenindustrie. Die geben als erklärtes Ziel aus, Risiken zu minimieren, sprich Probleme in der Lieferkette abzubauen, ein Beschwerdesystem aufzubauen und über diese Prozesse auch zu berichten. Doch bei der Berichterstattung monieren wir Defizite.

Gisela Burckhardt

Die entwicklungspolitische Gutachterin und Campaignerin leitet den Verein Femnet, der sich für feministische Perspektiven in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einsetzt. Knut Henkel sprach mit Burckhardt über die Wirksamkeit des Nachhaltigkeitslabels der »Grüne Knopf«.

Wie reagiert das BMZ, das federführende Ministerium, auf diese Kritik?
Es hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass die Unternehmen sich eventuell mehr mit den Defiziten und deren Korrektur beschäftigen, als dass sie darüber berichten. Das halten wir durchaus für möglich, weisen aber darauf hin, dass transparente Berichterstattung eine wichtige Zielvorgabe des Prozesses ist. Die kommt zu kurz.

Woran liegt das? Das Nachhaltigkeitslabel wird getragen von kleinen Unternehmen mit wenig Erfahrung, aber auch von großen Playern wie Aldi oder Tchibo.
Ja, diese Unterschiede schlagen sich auch nieder. Die einen verlassen sich auf ein Siegel wie Gots (Globale Organic Textile Standard) und vergessen dabei, dass sie laut den UN-Standards eine klare Verpflichtung haben, selbst aktiv zu werden und zu berichten. Die anderen, die großen Discounter zum Beispiel, erfüllen alle formalen Kriterien, schwächeln aber, wenn es darum geht, die Defizite klar zu benennen: die Verletzung der Gewerkschaftsfreiheit in Bangladesch zum Beispiel oder die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz im gleichen Land.

Ist das nicht eine Vorgabe des Labels und des BMZ? Da wird doch verlangt, dass die Firmen menschenrechtliche Risiken entlang ihrer Lieferkette prüfen, bei Bedarf effektive Maßnahmen dagegen ergreifen, darüber öffentlich berichten und Beschwerdemöglichkeiten für potenziell Betroffene einrichten. Werden diese Vorgaben nicht erfüllt?
Nicht ausreichend. Deshalb warnen wir vor dem Risiko eines staatlich sanktionierten Greenwashing. Der Grüne Knopf ist so wichtig, weil er als Vorlage für eine gesetzliche Regelung, eben das Lieferkettengesetz, dienen könnte. Deshalb ist es aus unserer Perspektive so wichtig, Defizite zu benennen.

Wo sollte nachgebessert werden?
Wir haben zehn Punkte benannt, von denen einige bereits bei der Weiterentwicklung zum Grünen Knopf 2.0 berücksichtigt sind. Das gilt für unsere Forderung eines existenzsichernden Lohnes. Das ist positiv, aber wir plädieren nach wie vor dafür, dass die Anforderungen des Grünen Knopfes auf die gesamte Lieferkette ausgeweitet werden soll und das Mindestvorgaben für die Transparenz und Berichterstattung gemacht werden.

Die Pandemie triff Arbeiter*innen in den Produktionsländern hart. Es wird weniger bestellt und der Lockdown sorgt laut Greenpeace dafür, dass große Mengen an Textilien nicht absetzbar sind - sie könnten verbrannt werden. Eine Folge eines außer Kontrolle geratenen Marktes?
Ja, wir brauchen ein anderes Produktionssystem, das der Überproduktion Einhalt gebietet. Wir brauchen eine am Bedarf orientierte Produktion und hier und da gibt es Tendenzen, die in so eine Richtung gehen. Große Hersteller, die laut darüber nachdenken, nur noch zwei Kollektionen anzubieten, andere, die Kleidung nach den Maßen der Kundinnen herstellen lassen und wieder andere, die Schnitte wählen, die weniger Material benötigen. All das sind neue positive Ansätze. Diese und ein Grüner Knopf 2.0 könnten dazu führen, dass sich auch für die Näher*innen spürbar etwas ändert.

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