Conte zurückgetreten

Italien braucht neue Regierung. Neuwahlen nicht ausgeschlossen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.

Jetzt hat Italien also seine bereits erwartete Regierungskrise. Ministerpräsident Giuseppe Conte ist zurückgetreten und der Ball liegt nun wieder einmal beim Staatsoberhaupt Sergio Mattarella. Der muss entscheiden, wie es in den nächsten Tagen und Monaten weitergehen soll, wobei Blitzumfragen ergeben haben, dass ein Großteil der Italiener in dieser Krise keinen Sinn erkennen kann.

Es gibt für Mattarella vor allem drei Möglichkeiten - aber Zwischenlösungen sind ebenfalls nicht ausgeschlossen. Der Präsident könnte Conte erneut den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Dieser würde dann versuchen, doch eine Mehrheit im Parlament zu finden. Dafür wäre es das Naheliegendste, dass Conte erneut den ehemaligen Regierungschef Matteo Renzi mit ins Boot holt, der durch sein Ausscheren aus der Koalition diese Krise überhaupt erst ausgelöst hat. Seine Splitterpartei Italia Viva (Lebendiges Italien) hat eine Rückkehr nicht kategorisch ausgeschlossen und auch innerhalb der Demokratischen Partei sind nicht alle dagegen. Dann würde das Kabinett umgebildet werden, aber letztlich bliebe alles beim Alten. Möglich wäre aber auch, dass die Partei von Silvio Berlusconi Forza Italia einspringt, was die Regierung allerdings weiter nach rechts rücken würde.

Die zweite Hypothese ist, dass der Staatspräsident nach seinen Beratungsgesprächen jemand anderes mit der Regierungsbildung beauftragt. Das wäre dann wahrscheinlich eine außenstehende und nicht parteigebundene Persönlichkeit, ein so genannter Techniker, der versuchen würde, eine Regierung der Nationalen Einheit zu bilden. Darin wären dann mehr oder weniger alle Parteien vertreten. Heraus käme eine Art Notkabinett, das die wichtigsten Probleme des Landes im »nationalen Interesse« angeht. Dieser Techniker könnte der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank Mario Draghi sein. Man spricht aber auch von Marta Cartabia, ehemalige Vorsitzende des Verfassungsgerichts und erste Frau, die dieses Amt bekleidet hat. Dazu müssten sich allerdings alle politischen Kräfte auf einige Kernpunkte einigen und wahrscheinlich auch auf einen zeitlichen Rahmen. Im Vordergrund stünden dabei die Bekämpfung der Pandemie und die Ausarbeitung eines detaillierten Plans für die Verwendung der über 200 Milliarden Euro, die die EU für den Wiederaufbau nach der Corona-Krise bereitstellen möchte.

Die dritte Möglichkeit wäre, dass Sergio Mattarella feststellt, dass es für die ersten beiden Optionen keine parlamentarische Mehrheit gibt. Dann bliebe ihm nichts anderes übrig, als das Parlament aufzulösen und Neuwahlen einzuberufen, die irgendwann im Frühjahr stattfinden könnten. Der Staatspräsident, der das fast uneingeschränkte Vertrauen der Italienerinnen und Italiener genießt, hat allerdings schon mehrmals angedeutet, dass das für ihn wirklich nur die allerletzte Option wäre, da das Land in der augenblicklichen Lage eine voll handlungsfähige Regierung braucht.

Gegen Neuwahlen sind in erster Linie die 5-Sterne-Bewegung, Matteo Renzi und Silvio Berlusconi, da ihnen laut Umfragen die höchsten Stimmenverluste drohen. Aber auch andere Kräfte würden einen Urnengang gerne zu diesem Zeitpunkt gern vermeiden. Italien hat vor Kurzem eine Verfassungsreform beschlossen, mit der die Anzahl der Parlamentarier in beiden Kammern praktisch halbiert wird. Viele Abgeordnete und Senatoren würden bei Neuwahlen ihren Sitz also verlieren und der Machtkampf innerhalb der Partien wäre sicherlich äußerst hart. Dazu kommt, dass der Noch-Regierungschef Giuseppe Conte, der im Land sehr beliebt ist, eine eigene Partei gründen und damit den Zentrumskräften Stimmen abnehmen könnte.

Für eine vorzeitige Beendigung der Legislaturperiode haben sich in erster Linie die beiden ultrarechten Parteien Lega und Fratelli d'Italia ausgesprochen. Wenn heute gewählt werden würde, könnte die Lega relative Mehrheitspartei werden. Zweitstärkste Kraft wären die Demokraten, gefolgt von Fratelli d'Italia, die in den letzten Monaten ganz auf der Linie des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump waren. Heraus käme eine weit rechts stehende, am nationalen Egoismus orientierte und EU-kritische Regierung. Noch ist das nur ein Alptraum. Wer im politischen Tauziehen die Oberhand behält, muss sich erst noch entscheiden.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal