Regierungsbildung in Italien kommt voran

Mario Draghi kann auf breite Unterstützung bauen

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.

Mario Draghi, mit der Bildung der neuen Regierung in Italien beauftragt, trifft in diesen Tagen zum zweiten Mal die Vertreter aller Parteien und dann auch die der Gewerkschaften und Unternehmerverbände. Ende der Woche will er seine Ministerliste vorlegen und sich dann dem Vertrauensvotum im Parlament stellen.

Um den wahrscheinlich neuen Premier Draghi hat sich in der italienischen Politik eine regelrechte Begeisterungswelle gebildet. Praktisch alle wollen der neuen Regierung angehören. Positive Resonanz kam von der Demokratischen Partei, von Forza Italia mit Silvio Berlusconi, von der linken Formation Liberi e Uguali sowie kleineren Zentrumsgruppierungen und - das ist die eigentliche Überraschung - auch von der ultrarechten Lega, die bis vor wenigen Tagen noch äußerst abfällig über den ehemaligen Vorsitzenden der europäischen Zentralbank gesprochen und Neuwahlen gefordert hat. Auch die 5-Sterne-Bewegung hat sich grundsätzlich positiv geäußert, wird die Zustimmung aber von einer Mitgliederbefragung abhängig machen. Einzig und allein die neofaschistische Partei Fratelli d’Italia beharrt weiterhin auf Neuwahlen, will aber, so erklärte ihre Vorsitzende Giorgia Meloni, in eine »konstruktive Opposition« gehen.

Das heißt nicht, dass die Bildung dieser »sehr großen Koalition« nur noch Formsache ist. So hat Draghi noch nicht gesagt, was es für eine Regierung werden soll: eine »technische« Exekutive parteiloser Experten oder eine mit politischem Charakter, bei der Vertreter der Parteien mit im Boot sitzen? Am wahrscheinlichsten erscheint derzeit, dass alle Wirtschaftsministerien von »Experten« besetzt werden, die Parteien aber auch Minister stellen; in diesem Fall dürften die Parteivorsitzenden wohl keine Ämter übernehmen. Es ist auch noch nicht klar, ob auch Draghis Vorgänger Giuseppe Conte, der keiner Partei angehört, aber der 5-Sterne-Bewegung nahesteht, mit von der Partie sein wird.

Auch Draghis Programm ist bisher noch sehr allgemein gehalten. Drei Hauptpunkte will er sofort angehen: die Impfkampagne, die auch in Italien nur stockend voran geht, das Problem der Schule, die wegen der Pandemie extrem gelitten und vor allem die Schwächeren ausgegrenzt hat, und eine Steuerreform. Dazu kommen ein klares Ja zur EU und stärkeres Augenmerk auf die Umwelt. Wie man auf diesen Feldern konkret agieren wird, ist noch vollkommen unklar. Und dann gibt es einige Bereiche, die öffentlich noch nicht zur Sprache gekommen sind. Da ist vor allem die Bekämpfung der Armut, die im letzten Jahr stark zugenommen und immer breitere Bevölkerungsschichten erfasst hat. Oder auch der während der Pandemie verordnete Kündigungsstopp. Sollte der im März aufgehoben werden, droht Italien eine Entlassungswelle mit mindestens einer Million weiteren Arbeitslosen.

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