Putschisten unter sich

Myanmar bittet um Demokratienachhilfe - in Thailand.

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.

Es hört sich an wie ein schlechter Witz: Bittet eine Putschregierung eine andere um Nachhilfe in Demokratie... Zur Rettung genau dieser hat Myanmars Diktator und Armeechef Min Aung Hlaing nun im Ausland um Rat gefragt. Allerdings nicht bei demokratieerprobten westlichen Staaten. Auch nicht zum Beispiel beim regionalen Nachbarn Indonesien, das über reichlich Erfahrung beim schwierigen Übergang von einer Diktatur zu einer offeneren, demokratischeren Gesellschaft verfügt. Vielmehr hat Min Aung Hlaing per Brief ausgerechnet bei Thailands Premierminister Prayut Chan-o-cha nachgefragt. Der thailändische Ex-General war selbst im Mai 2014 durch einen Putsch an die Macht gekommen und hatte im März 2020 dem Militär die politische Dominanz durch eine schamlos manipulierte Wahl auf Jahre hinaus gesichert.

In Myanmar hat das Militär am 1. Februar die demokratisch gewählte Regierung gestürzt, nach eigenen Angaben »zur Rettung der Demokratie«. Aung San Suu Kyi habe nicht nur die Parlamentswahl vom November 2020 manipuliert, sondern mit ihrer Rolle als Staatsrätin und somit De-facto-Regierungschefin auch gegen die Verfassung verstoßen, so die Erzählung der Putschgeneräle. In diesem Fall habe die Armee laut Verfassung die Pflicht, die Einheit der Nation zu wahren und die Verfassung zu schützen.

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Für die Nachhilfebitte in Sachen Demokratie von Min Aung Hlaing hat Nuttaa Bow Mahattana nur Spott übrig. »Das hört sich so an, als ob ein Fisch einen anderen Fisch fragt, wie man auf einen Baum klettern kann«, sagt die prominente Demokratieaktivistin in Bangkok zu »nd« und fügt sarkastisch hinzu: »Wenn die Junta in Myanmar Wege finden will, wie sie ihre Macht nach Wahlen verlängern und der internationalen Gemeinschaft weismachen kann, man sei zur Demokratie zurückgekehrt, dann ist Prayut der richtige Ratgeber.«

Auch am Freitag demonstrierten in ganz Myanmar wieder Hunderttausende Menschen für die Rückkehr zur Demokratie. »Was frühere Militärregime und auch Aung San Suu Kyi nicht geschafft haben, das hat der Putsch erreicht: Das ganze Land ist vereint«, sagte Khin Zaw Win, Analyst des Tampadipa Institut, telefonisch aus Rangun zu »nd«.

Drei Finger, drei Forderungen

In Thailand will die Demokratiebewegung nach einer coronabedingten Pause in den kommenden Wochen wieder ihre Massenproteste gegen das Militär und die Monarchie aufnehmen, während das Regime von Prayut die Zügel noch fester anzieht. Nach einer dreijährigen Unterbrechung setzen die Machthaber wieder das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung gegen die führenden Köpfe der Demokratiebewegung ein.

Am 9. Februar verweigerte ein Gericht in Bangkok Arnon Nampha, Parit Chiwarak, Somyot Pruksakasemsuk und Patiwat Saraiyaem die Freilassung auf Kaution. »Als Reaktion auf die anhaltenden öffentlichen Proteste missbraucht die Regierung Thailands das drakonische Gesetz gegen Majestätsbeleidigung zur aggressiven Unterdrückung von Reden, die ihnen nicht gefallen«, sagte Brad Adams. Der Asienexperte der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) befürchtet eine Rückkehr der »dunklen Tage«. Menschen könnten jahrelang in Untersuchungshaft festgehalten werden, so Adams, weil die Prozesse gegen sie endlos hingezogen würden.

Die Demokratiebewegungen von Myanmar und Thailand lernen voneinander. Die Menschen in Myanmar haben von den Thais den Drei-Finger-Gruß als Markenzeichen ihrer Ablehnung der Diktatur übernommen. Der Gruß stammt ursprünglich aus der Filmtrilogie »Die Tribute von Panem - The Hunger Games«. In Myanmar stehen die drei Finger für die drei Forderungen: Freilassung aller politischen Gefangen, Akzeptanz des Ergebnisses der Parlamentswahl vom November des vergangenen Jahres und Rückzug des Militärs aus der Politik.

Die Protestbewegung in Thailand hat von Myanmar das Schlagen von Töpfen und Pfannen als »Waffen« ihres gewaltfreien Widerstands übernommen. Am Donnerstag unterstrichen in Bangkok mehr als 1000 Menschen mit lautstarkem Hämmern auf Küchengerät ihre drei Forderungen: Rücktritt des Premierministers, Verfassungsreform und Reform der Monarchie. Und sie zeigten sich mit Fotos von Aung San Suu Kyi und Slogans wie »Wir brauchen keine Diktatur SaveMyanmar« solidarisch mit den vielen Tausend Demonstranten im 918 Kilometer entfernten Yangon.

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