Miet- und Kaufpreise driften immer weiter auseinander

Mieter und Käufer von Wohnungen müssen mehr zahlen

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Im zweiten Halbjahr 2020 sind diese Preise gegenüber dem Vorjahr im Mittel um 3,5 Prozent gestiegen. Damit lag der Zuwachs auf vergleichbarem Niveau wie 12 Monate zuvor, deutlich niedriger aber gegenüber dem Fünfjahresschnitt (+4,9 Prozent). Das geht aus einer Untersuchung von JLL, einem Dienstleistungs-, Beratungs- und Investment-Management-Unternehmen im Immobilienbereich, hervot.

Verteuert haben sich im zweiten Halbjahr 2020 ein weiteres Mal auch die Kaufpreise für Eigentumswohnungen. Mit durchschnittlich +9,3 Prozent Ende des zweiten Halbjahres liegen sie zwar unterhalb des Vorjahresanstiegs (+10,2 Prozent), aber über dem Fünfjahresschnitt (+8,6 Prozent).

Der Preisanstieg im Umland der acht deutschen Immobilienhochburgen lag durchschnittlich um fast +50 Prozent höher als in den Kernstädten

Umzugstrend Richtung Umland

Zwischen 2015 und 2019 wurden die Angebotsmieten immer teurer, der Anstieg im zweiten Halbjahr 2020 war aber deutlich gedämpft. Roman Heidrich von JLL Berlin nennt als eine Ursache für diese Entwicklung den Preisanstieg im Umland der Big-8-Städte aufgrund einer gestiegenen Nachfrage, die sich von Stadt, über Innenstadtnähe in Richtung Umland verschoben habe. Ist das Umland mit einer Pkw-Fahrtzeit von 45 bis 60 Minuten zu erreichen, sind die Kosten für eine Wohnung durchschnittlich um 5,5 Prozent gestiegen, bei Erreichbarkeit zwischen 30 bis 45 Minuten und unter 30 Minuten lag der Mietpreisanstieg bei 4,6 bzw. 3,3 Prozent.

Sebastian Grimm von JLL Frankfurt am Main beobachtet angesichts mangelnden Angebots und gestiegener Wohnkosten in den untersuchten Großstädten seit einiger Zeit geringere Zuzugszahlen, momentan verstärkt durch die Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie. Für Haushalte mit erhöhter Wohnflächennachfrage wie Familien sind sogar mehr Fort- als Zuzüge zu verzeichnen. Eine Entwicklung, von der vor allem das Umland der Großstädte profitiert.

Vermehrte Inanspruchnahme von Homeoffice verringert die Pendelkosten zwischen Wohnort und Arbeit in der Stadt. Das Einzugsgebiet eines regionalen Arbeits- und Wohnungsmarktes erweitert sich.

Mietpreisrückgang in Stuttgart

Die stärksten Zuwächse bei den Mietpreisen konnten in Köln und Düsseldorf beobachtet werden. Im Jahresvergleich sind die mittleren Angebotsmieten im zweiten Halbjahr 2020 um +6,6 Prozent auf 12,85 Euro/m²/Monat bzw. um +3,9 Prozent auf 12,00 Euro/m²/Monat gestiegen. Während sich Hamburg (+2,4Prozent), Frankfurt am Main (+4,2), München (+2,8) und Leipzig (+3,4) leicht unterhalb ihres jeweiligen Fünfjahresschnitts bewegen, verzeichnet Stuttgart im Vergleich zum Vorjahreswert ein Mietpreisrückgang von -1,6 Prozent (auf 15,00 Euro/m²/Monat). »Ob es sich allerdings um einen tatsächlichen Trend handelt, wird sich erst im Jahresverlauf zeigen«, so Sebastian Grimm .

Trick der Berliner Vermieter

In Berlin hat im Zuge der Einführung des Mietendeckels das Angebot für Mietwohnungen im Bestand (mit einem Baujahr vor 2014) im Jahresvergleich um bis zu 70 Prozent abgenommen, während das Angebot für Neubauwohnungen im gleichen Zeitraum um lediglich 20 Prozent gefallen ist.

»Der beobachtete Mietpreisanstieg von +6 Prozent gegenüber dem Vorjahr hängt also allein mit dieser Verschiebung im Angebot zusammen«, so Roman Heidrich. »Da es voraussichtlich erst im zweiten Quartal zu einer finalen Entscheidung des Bundesfassungsgerichts zum Mietendeckel kommen wird, sind die meisten Vermieter dazu übergegangen, freie Wohnungen mit zwei unterschiedlichen Mieten anzubieten: eine gemäß Mietendeckel und eine Marktmiete aufrufend. Dies erklärt, wieso es zu keinem Absinken der Angebotsmieten im Bestand gekommen ist.«

Teurere Eigentumswohnungen

Anders als im Bereich der Mietpreise verteuerten sich die Kaufpreise für Eigentumswohnungen im zweiten Halbjahr 2020 ein weiteres Mal deutlich. Damit hat sich auch das Auseinanderdriften von Miet- und Kaufpreisen noch einmal beschleunigt.

Sebastian Grimm erläutert dazu: »Die Nachfrage nach Wohneigentum ist aufgrund seiner dualen Eigenschaft, sowohl zu Konsum- als auch zu Investitionszwecken genutzt zu werden, nicht nur von realwirtschaftlichen Entwicklungen abhängig. Während etwa die Mietpreise hauptsächlich von realwirtschaftlichen und lokalen Faktoren bestimmt werden, ist das Finanzierungs- und Finanzmarktumfeld ein wichtiger Einflussfaktor für die Kaufpreise. Darüber hinaus hat die große Menge an zusätzlicher Liquidität, die dem Markt im Rahmen der Notfallprogramme von Regierungen und Zentralbanken im Zuge der Corona-Krise zur Verfügung gestellt wurden, dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach Anlagealternativen nicht abreißt. In diesem Zusammenhang gelten Wohnimmobilien seit Langem als attraktive Alternative für institutionelle wie auch private Investoren.«

Preisanstieg in den Landkreisen

Da die Preistreiber damit überwiegend flächendeckend wirken, fallen im Vergleich zu den Mietpreisentwicklungen die Unterschiede bei den Veränderungen der Angebotskaufpreise zwischen den unterschiedlichen Regionstypen (Big-8-Städte, kreisfreie Städte und Landkreise) auch deutlich geringer aus. Mit einem mittleren Preisanstieg von 10,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert haben sich die Angebotskaufpreise für Eigentumswohnungen in den Landkreisen marginal über den Preisanstiegen in den Big-8-Städten entwickelt, bleiben aber leicht hinter dem mittleren Preisanstieg in den kreisfreien Städten (+11,1 Prozent) zurück.

»Die Streuung in der Gruppe der Landkreise insgesamt ist am größten«, erklärt Roman Heidrich. Während der mittlere Anstieg der Kaufpreise in unmittelbaren Randlagen der Big-8-Städte (bei mittlerer Fahrtzeit von unter 30 Minuten), die in den vergangenen Jahren bereits stark nachgefragt waren, bei +10,7 Prozent lag, haben die Kaufpreise in den Gebieten, die an diese anschließen und mit 30 bis 45 Minuten Fahrtzeit zu erreichen sind, deutlich stärker zugelegt (+15,1 Prozent).

Heidrich weiter: »Die Ausdehnung der Nachfrage in die Peripherie der Ballungsräume wird damit im Preisgefüge deutlich sichtbar. Das sind Preistrends, die aber auch stark von der siedlungsstrukturellen Einbettung der jeweiligen Stadt in die Gesamtregion abhängen. Während etwa im Umland von Berlin und Leipzig deutlich stärkere Preissteigerungen als in den zugehörigen Kernstädten beobachtet werden konnten (+6,0 vs. 24,8 bzw. 14,2 vs. 25,9 Prozent), so sind die Preisunterschiede in den Städten mit stark verstädtertem Umland wie Köln und Frankfurt deutlicher geringer (+10,4 vs. 8,0 bzw. 11,8 vs. 6,8 Prozent).«

Unabhängig davon bleiben auch die Preisentwicklungen für Eigentumswohnungen in den Städten selbst auf einem sehr hohen Niveau. Mit Hamburg (+17,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 5760 Euro/m²), Frankfurt (+11,8 Prozent auf 6550 Euro/m²), Köln (+10,4 Prozent auf 4440 Euro/m²) und Leipzig (+14,2 Prozent auf 2580 Euro/m²) konnten sich gleich vier der Big-8-Städte deutlich oberhalb ihrer Fünfjahresschnitte (+5,7, +8,5, +8,1 und +11,2 Prozent) entwickeln.

Wie geht es weiter in 2021?

Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen wird mittelfristig nicht abreißen und den Preisanstieg befeuern. Bei den Mietpreisen wird zwar eine deutlich gedämpfte Entwicklung erwartet, aber weiterhin mittlere Mietpreissteigerungen über Inflationsniveau mit etwas stärkeren regionalen Unterschieden als in der Vergangenheit. JLL/nd

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