»Alter Klassiker« wird zum Auslaufmodell

Altersvorsorge: »Neue« Lebensversicherungen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Für 2021 liegt die laufende Verzinsung im Marktdurchschnitt bei 2,65 Prozent. Das ist ein Minus von 0,09 Prozentpunkten zum Vorjahr. Inzwischen senken viele Unternehmen ihre Erwartungen für die Zukunft noch weiter ab.

Die Kölner Rating-Agentur Assekurata zeichnet sich im Unterschied zu anderen Beratungsunternehmen durch eine gewisse Distanz zur Branche aus. Nun hat Assekurata zum 19. Mal in Folge ihre jährliche Untersuchung zu Überschussbeteiligungen und Garantien deutscher Lebensversicherer vorgestellt. An der Marktstudie nahmen insgesamt 47 Unternehmen teil, die nach Prämieneinnahmen einen Marktanteil von rund 70 Prozent repräsentieren.

Die Studie offenbart nicht nur, wie Altersvorsorgeverträge aus den Bereichen Klassik, Neue Klassik und Indexpolicen aktuell verzinst werden und welche Renditen die Kunden erwarten können. Sie zeigt auch, dass die klassische Lebensversicherung zum Auslaufmodell wird. Doch auch die sogenannte Neue Klassik verspricht kaum höhere Renditen.

Unter »Klassik« versteht die Branche althergebrachte Lebensversicherungsverträge, die nach meist drei Jahrzehnten als Rente oder als Einmalbetrag ausgezahlt werden. Diese Klassiker bündeln eine Risikolebensversicherung, die im Todesfall des Versicherten zahlt, mit einer Kapitalanlage. Diese spannungsgeladene Mixtur wurde von Experten immer schon kritisch gesehen. Nun führt die Niedrigzinsphase seit der Finanzkrise 2007/2008 dazu, dass die garantierten Renditen endgültig im Keller liegen.

Der vom Bundesfinanzministerium vorgegebene Garantiezins, den Versicherer ihren Kunden auf den Sparanteil zahlen müssen, sank von ehedem 4 auf heute 0,9 Prozent. Einem Vorschlag zur Absenkung auf 0,5 Prozent zum 1. Januar 2021 war das Bundesfinanzministerium erst einmal noch nicht gefolgt. Aber im kommenden Jahr dürfte es dann soweit sein.

Im Regelfall zahlen die überaus profitablen Versicherer allerdings eine höhere Verzinsung als den Garantiezins aus. Doch würde man einen Vertrag mit dem klassischen garantierten jährlichen Zinsversversprechen 25 Jahre lang unter den heutigen Bedingungen weiterlaufen lassen, spränge für den Kunden eine »illustrierte«, also in die Zukunft projizierte jährliche Beitragsrendite von 1,88 Prozent heraus - inklusive der in Aussicht gestellten Schlussüberschüsse. »Lukrativ« sieht aus Verbrauchersicht nun wirklich anders aus. Die Assekuranz hat daher ihren früheren Beststeller reformiert und bietet vor allem noch Produkte mit verringerter oder ganz ohne Garantie an (siehe nd DER TAG vom 15. Oktober 2020, S. 15). Laut Assekurata bieten aktuell nur noch 16 der befragten Unternehmen überhaupt eine klassische Versicherung mit lebenslangem Garantiezins von 0,9 Prozent im Neugeschäft an.

»Die traditionelle Klassik ist ein Auslaufmodell«, konstatiert Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei der Kölner Rating-Agentur. »Stattdessen setzen weite Teile des Marktes auf neue klassische Produkte.« Diese basieren wie die alten klassischen Produkte auf einer konventionellen Überschusssystematik sowie dem Ausgleich im Kollektiv und in der Zeit - sie folgen also dem eigentlichen Versicherungsgedanken. Ein zentraler Unterschied liegt jedoch in den Garantien, die herabgesetzt oder sogar vollständig abgeschafft werden. »Durch die kapitaleffizientere Gestaltung soll der Kunde eine höhere Überschussbeteiligung erhalten«, begründet Heermann diesen Wandel.

Doch wie schneidet die »Neue Klassik« im Vergleich zur »alten« denn nun wirklich ab? Nicht viel besser. Die illustrierten Renditen der 26 teilnehmenden Unternehmen für neuartige Policen liegen lediglich um ein Viertel höher als die der alten Klassiker, nämlich bei 2,31 Prozent. Für diesen recht bescheidenen möglichen Zinsvorteil geht der Versicherte jedoch ein vergleichsweise hohes Risiko ein.

Etwas günstiger schneiden, allerdings im Rückblick, Indexpolicen ab. Für diese können Versicherer einen größeren Teil der Kundengelder in Aktien und Investmentfonds anlegen. Die Rendite-Chancen erkauft sich der Sparer auch hier durch geringere Sicherheiten: Der Versicherer bietet meist keinen Garantiezins mehr, er garantiert lediglich die eingezahlten Beiträge zum vereinbarten Vertragsende.

Wir raten grundsätzlich von einem Abschluss solcher Mix-Produkte ab. Wer eine Risiko-Lebensversicherung für sinnvoll erachtet, etwa um seine Familie finanziell abzusichern, kann eine solche separat abschließen. Als alternative Anlageform für eine langfristige Geldanlage bieten sich für risikobereite Verbraucher ein Sparplan mit Fonds oder ein sogenannter ETF-Sparplan an, den sie bei jeder Bank oder Sparkasse erwerben können. Wer es sicher mag, Kinder groß zieht oder ein geringes Einkommen hat, kann aufgrund der staatlichen Zuschüsse auch mit einer Riester-Rente bestens bedient sein.

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