Spahn: Länder sollten pro Tag 300.000 Impfdosen verabreichen, nicht nur 150.000

Der Newsblog zur Coronakrise - Mittwoch, 24. Februar 2021: Impfkommission: Reihenfolge bei Impfungen nicht allzu starr beachten

  • Lesedauer: 7 Min.

Berlin. Vor allem wegen Alter und Vorerkrankungen ist laut einer Studie mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland über 15 Jahre der Risikogruppe für schwere Covid-19-Verläufe zuzurechnen. Wissenschaftler des Robert Koch-Instituts (RKI) gehen in dieser Bevölkerungsgruppe von 36,5 Millionen Menschen mit erhöhtem Risiko aus, davon sehen sie 21,6 Millionen Menschen als Hochrisikogruppe. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten RKI-Studie hervor.

Als stark erhöht werten die Autoren das Corona-Risiko bei Menschen, die über 65 Jahre alt sind oder bestimmte Vorerkrankungen aufweisen (Diabetes mellitus, chronische Nierenbeschwerden, schwerste Form von Adipositas). Erhöhtes Risiko wird in der Studie bei Betroffenen mit einer Reihe weiterer Vorerkrankungen gesehen (darunter Bluthochdruck, Asthma sowie Herzinfarkt und Schlaganfall oder chronischen Folgebeschwerden). Zudem war der Hilfebedarf im Alltag ein Kriterium. Als Hauptrisikofaktor gelte mittlerweile ein höheres Lebensalter, schreiben die Autoren.

Die Risiken sind der Studie zufolge ungleich verteilt. »Im Saarland und in den ostdeutschen Bundesländern leben anteilig die meisten Menschen mit einem erhöhten Risiko«, hieß es. Auch sind laut der Studie unter Menschen mit geringer Bildung größere Anteile der Risiko- und Hochrisikogruppe zuzurechnen als bei mittel und höher Gebildeten. Die Auswertung beruht auf einer Studie, für die rund 23 000 deutschsprachige Menschen ab 15 zwischen April 2019 und Oktober 2020 telefonisch befragt wurden.

+++ Schnelltests zur Eigenanwendung werden zugelassen +++

In Deutschland soll es bereits in wenigen Tagen Corona-Schnelltests zur Eigenanwendung zu Hause geben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilte Sonderzulassungen für drei Produkte zur Anwendung im vorderen Nasenbereich, wie das Institut am Mittwoch mitteilte. Bisher gibt es nur Schnelltests zum Nachweis einer Coronavirus-Infektion, die von medizinisch geschultem Personal ausgeführt werden.

Bei allen drei nun zugelassenen Selbsttests werden die Proben durch einen Abstrich in der vorderen Nase entnommen. Dieser kann nach den von den Herstellern vorgelegten Studien jeweils durch Laien sicher ausgeführt werden, wie das BfArM weiter mitteilte.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte im ZDF-»Morgenmagazin«, die Selbsttests sollten in den nächsten Tagen unter anderem bei Discountern erhältlich sein. Er gehe davon aus, dass bereits in der kommenden Woche weitere Selbsttests genehmigt werden könnten.

Spahn hatte zwar erwogen, die Tests für eine Eigenbeteiligung von einem Euro abzugeben. Doch davon war zuletzt nicht mehr die Rede. So müssen sie voll bezahlt werden, wenn sie demnächst in die Geschäfte kommen. Für den Einsatz in Kitas und Schulen kann die öffentliche Hand die Kosten übernehmen.

+++ Gesundheitsminister will 300.000 Impfungen pro Tag +++

Berlin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dringt auf höheres Tempo bei Impfungen in den Impfzentren. Die Länder hätten Kapazitäten von bis zu 300.000 Impfungen am Tag gemeldet, im Moment fänden bis zu 150.000 am Tag statt, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in ZDF. Deswegen gehe er davon aus, »dass das jetzt auch deutlich hochgefahren wird«. Die Länder hätten nachvollziehbarerweise beim Bund genügend Dosen angemahnt. »Jetzt ist Impfstoff da.«

Einen Stau gibt es vor allem beim Mittel des Herstellers Astrazeneca. Laut Bundesministerium sind inzwischen mehr als 1,4 Millionen Dosen an die Länder geliefert worden - gespritzt wurden nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bis Dienstag jedoch nur rund 239 000 Dosen. Dabei ist das Bild in den Bundesländern unterschiedlich: In Sachsen liegen demnach noch knapp 95 Prozent auf Halde, in Baden-Württemberg und Hessen knapp 94 Prozent, in Hamburg dagegen nur 66 Prozent.

Spahn erläuterte, dass allen Bewohnern in Pflegeheimen mittlerweile ein Impfangebot habe gemacht werden können. Es sei auch eine positive Wirkung zu sehen. »Das Infektionsgeschehen bei den über 80-Jährigen geht spürbar zurück.«

+++ Impfungen für Erzieherinnen und Lehrkräfte können starten +++

Berlin. Die vorgezogenen Corona-Impfungen bei Erzieherinnen und Lehrkräften können ab sofort starten. Die entsprechende Verordnung trete am Mittwoch in Kraft, teilte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit. »Das gibt in einem Umfeld, in dem Abstand und Maske nicht immer möglich sind, zusätzliche Sicherheit.«

Bund und Länder hatten sich am Montag bei einer Gesundheitsministerkonferenz darauf geeinigt, die Lehrkräfte an Grund- und Förderschulen sowie die Kita-Beschäftigten in der Impfverordnung in die Prioritätsgruppe zwei statt drei einzustufen. In Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegestellen sowie in Schulen komme es zu zahlreichen Kontakten von Menschen aus unterschiedlichen Haushalten, hieß es zur Begründung.

+++ Impfbereitschaft von Wertemilieu abhängig +++

Gütersloh. Die Akzeptanz der coronabedingten Einschränkungen und die Impfbereitschaft sind einer Umfrage zufolge abhängig vom jeweiligen Wertemilieu. Von humanistisch geprägten Menschen, für die Werte wie Gerechtigkeit und Toleranz besonders wichtig sein, würden rund 80 Prozent die pandemiebedingten Einschränkungen überzeugt mittragen, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Mittwoch in Gütersloh bei der Präsentation der Umfrage. In der Gruppe der vorwiegend leistungsorientierten Menschen lehnt demnach hingegen fast jeder Zweite (46 Prozent) solche Freiheitseinschränkungen ab.

Wertemilieus, die eine Beschneidung von Freiheitsrechten kritisch sehen, zeigten sich auch skeptisch in der Frage von Impfungen, erklärte die Stiftung. So wollen sich in der Gruppe der eher Leistungsorientierten, denen Selbstverwirklichung und beruflicher Erfolg wichtig sind, laut Studie 44 Prozent auf keinen Fall impfen lassen. In der humanistisch geprägten Gruppe sprachen sich lediglich 25 Prozent gegen eine Impfung aus.

Insgesamt sind laut der Studie zwei Drittel der Befragten den Einschränkungen der Corona-Maßnahmen gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt. Jeder Dritte (34 Prozent) gab an, sich nicht impfen lassen wollen.

Anhand der Ergebnisse der Umfrage »Zwischen individueller Freiheit und Gemeinwohl« wurden sieben unterschiedliche Wertemilieus erkannt. Die Autoren sprechen von »kreativen Idealisten«, »bescheidene Humanisten«, »individualistischen Materialisten«, »sicherheitsorientierten Konservativen«, »leistungsorientierten Machern« und »unkonventionellen Selbstverwirklichern«. Dafür befragte das Norstat Institut im Auftrag der Stiftung in der letzten Novemberwoche in einer repräsentativen Online-Befragung 1.012 Menschen ab 18 Jahren.

+++ Pflegekräfte erkranken am häufigsten am Corona-Virus +++

München. Pflegekräfte in Altenheimen erkranken so häufig am Corona-Virus wie keine andere Berufsgruppe. In Bayern seien 11,1 von je 1000 in der Altenpflege tätigen Versicherten im vierten Quartal des vergangenen Jahres wegen Covid-19 krankgeschrieben gewesen, teilte die Krankenkasse Barmer mit. Im langjährigen Mittel fehlen im Freistaat nach Berechnungen der Kasse mehr als 4000 Pflegekräfte pro Jahr aufgrund von Krankheit und Frühverrentung. Eine Verbesserung der Arbeitssituation und - organisiation könnte die Zahl der Krankentage senken und somit dem Personalmangel in der Pflege entgegenwirken, hieß es. Für den Pflege-Report hat die Barmer die Daten ihrer Versicherten ausgewertet.

+++ 8007 Neuinfektionen und 422 neue Todesfälle registriert +++

Berlin. Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 8007 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Zudem wurden innerhalb von 24 Stunden 422 weitere Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen des RKI vom Mittwoch hervor. Vor genau einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 7556 Neuinfektionen und 560 neue Todesfälle verzeichnet. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Mittwochmorgen bundesweit bei 59,3 - und damit niedriger als am Vortag (60,5). Vor vier Wochen, am 27. Januar, hatte die Inzidenz noch bei 101,0 gelegen. Ihr bisheriger Höchststand war am 22. Dezember mit 197,6 erreicht worden.

+++ Impfkommission: Reihenfolge bei Impfungen nicht allzu starr beachten +++

Berlin. Die Ständige Impfkommission plädiert dafür, die Reihenfolge bei den Corona-Impfungen nicht allzu starr einzuhalten. In allen Impfzentren sollte es unbedingt Listen dafür geben, »wer an die Reihe kommt, wenn Dosen übrig bleiben«, sagte STIKO-Chef Thomas Mertens den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Damit kein Impfstoff verworfen werde, könnten »geeignete Kandidaten aus nachfolgenden Prioritätsgruppen« vorgezogen werden. Der Umgang mit übrig bleibenden Impfdosen müsse »pragmatisch vor Ort geregelt werden«, forderte der Virologe. Die Übergänge zwischen den Gruppen in der Impfreihenfolge dürften nicht als »harte Grenze« aufgefasst werden.

+++ Lehrerverband erwartet auch nach Corona-Pandemie digitalen Unterricht +++

Berlin. Die Schule der Zukunft wird nach Ansicht von Lehrerverbands-Präsident Heinz-Peter Meidinger eine andere sein als vor Corona. Er könne sich vorstellen, dass künftige Stundenpläne digitalen Unterricht fest beinhalten, sagte er bei einem virtuellen literarischen Salon. So könnten die durchschnittlichen 30 Wochenstunden beispielsweise auf 25 Stunden in Präsenz und 5 Stunden Digitalunterricht aufgeteilt werden. Diese seien ideal für neue Formate oder das Lernen mit externen Experten, erläuterte er bei einer Online-Debatte über seine zu Jahresbeginn veröffentlichte Streitschrift »Die 10 Todsünden der Schulpolitik« vor.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal