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Polizeichef-Rauswurf lässt Fragen offen

Niedersachsens Innenminister entlässt ohne Begründung Göttinger Polizeipräsidenten

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 2 Min.

Mager ist die Mitteilung aus dem Hause von Innenminister Boris Pistorius (SPD): Er schickt Göttingens Polizeipräsidenten Uwe Lührig früher als erwartet in den Ruhestand. Jedoch fehlt jeglicher Hinweis, weshalb Lührig schon jetzt und nicht, wie ursprünglich abzusehen, erst im März 2023 seinen Chefsessel verlassen muss. Solch ein Schweigen aber schafft Raum für Mutmaßungen. So steht beispielsweise die Frage im Raum, ob sich Pistorius über kritische Äußerungen Lührigs zum Corona-Impfmanagement des Landes so sehr geärgert hat, dass die Versetzung in den Ruhestand in Gang gesetzt wurde.

In einem Interview hatte Lührig als Privatmann bekundet, angesichts einer Erfahrung in punkto Covid-Impfung habe er »ein klein wenig« das Vertrauen in den Staat verloren. Hintergrund: Sein im November des vergangenen Jahres verstorbener Vater habe im Januar 2021 von der zuständigen Stelle eine Einladung zur Corona-Impfung erhalten. Seine noch lebende Mutter dagegen, so Lührig, habe trotz Nachfragen bei der Behörde noch immer keinen Impftermin bekommen. Auch berichtete Lührig von einem Bekannten, dessen Vater seit vier Jahren tot ist, dem aber eine Impf-Einladung zugeschickt wurde.

Oder liegt der Grund für Lührigs Entlassung, wie in Politikkreisen gemunkelt wird, in Versäumnissen bei Ermittlungen zum sogenannten Northeimer Missbrauchsskandal? In Fehlern, für die der Göttinger Beamte letztlich die politische Verantwortung getragen habe. Dabei ging es um Verbindungen zweier Männer zum Haupttäter der Serie schweren sexuellen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde. Mit Blick auf diesen Fall fordern die Grünen im niedersächsischen Landtag: Der Innenminister müsse umgehend aufklären, ob die Entlassung des Lührigs tatsächlich in Zusammenhang mit einer nachlässigen Bearbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt an Kindern steht. Ein Jahr lang habe es das Innenministerium unterlassen, den Landtag über den Northeimer Missbrauchsskandal zu unterrichten, moniert die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Susanne Menge.

Oder steckt politisches Kalkül dahinter? Auch diese Überlegung wird nicht nur in Hannover diskutiert, zusammen mit der Frage: Will sich SPD-Mann Boris Pistorius vor der Landtagswahl im Herbst 2022 im Ministerium einen »inneren Zirkel« ohne CDU-Leute schaffen? Uwe Lührig ist Mitglied der Christdemokraten, und als Polizeipräsident zählt er zu den politischen Beamten, die im Innenministerium eine gewichtige Stimme haben.Lührigs Nachfolgerin soll Gwendolin von der Osten werden. Sie leitet seit vielen Jahren die Polizeiinspektion Mitte in Hannover.

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