Wettlauf mit dem Virus

  • Iris Rapoport
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Impfstrategien gegen Corona zielen bisher vor allem auf die Produktion von schützenden Antikörpern. Antikörper, besonders solche, die an wichtige Virusproteine wie das Spike-Protein binden, verhindern das Eindringen der Viren in die Zellen. Damit kann nicht nur die Schwere der Erkrankung gemindert, sondern im Idealfall die Infektion sogar komplett verhindert werden. Das ist sozusagen der Goldstandard.

Doch gerade das Spike-Protein, das sich auf der Oberfläche des Virus befindet und ihm das Eindringen in unsere Körperzellen ermöglicht, ist anfällig für Mutationen. Dadurch können Virus-Varianten entstehen, die sich nicht mehr durch die bei der Impfung erzeugten Antikörper neutralisieren lassen. Dass das nicht nur graue Theorie ist, hat sich etwa bei der Südafrika-Variante des Covid-19-Erregers gezeigt.

In Wettrennen mit neuen Virusvarianten suchen Wissenschaftler deshalb nach einem robusteren immunologischen Schutz. Große Hoffnung wird dabei auf Killer-T-Zellen gesetzt. Das sind weiße Blutzellen, die zusammen mit den Antikörpern zur erworbenen spezifischen Immunantwort gehören. Sie erkennen virusinfizierte Zellen und zerstören sie. Möglich ist das, weil in all unseren Zellen ständig ein Teil der neu produzierten Proteine in kleine Bruchstücke zerlegt und an der Oberfläche der Zellen präsentiert wird. Es gibt Milliarden verschiedener Killer-T-Zellen. Praktisch jede ist mit anderen Rezeptoren ausgestattet. Mit denen suchen sie ständig all unsere Zellen nach Bruchstücken von Virusproteinen ab. Finden sie welche, wird diese Zelle zerstört.

Eine Infektion können die Killer-Zellen damit nicht verhindern. Aber sie verringern die Zahl der produzierten Viren und beenden die Infektion. Sind schnell viele Killer-T-Zellen zur Stelle, die Corona-infizierte Zellen erkennen, wird der Krankheitsverlauf milder. Auch sinkt die Gefahr, dass das Virus weitergereicht werden kann.

Einige Corona-Virus-Impfstoffentwickler sind deshalb bereits dabei, die nächste Generation von Impfstoffen zu entwickeln. (»Nature«, DOI: 10.1038/d41586-021-00367-7). Die sollen neben einer Antikörperproduktion zu einer verstärkten Bildung solcher Killer-T-Zellen führen, die einen Coronavirusbefall erkennen. Das eröffnet die Möglichkeit, Impfstoffe gegen Virusproteine zu entwickeln, die sich nicht auf der Oberfläche des Virus befinden und die, verglichen mit dem Spike-Protein, sehr selten mutieren.

Eines der ersten Biotechnologie-Unternehmen, das sich dieser Herausforderung stellt, ist Gritstone in Kalifornien. Dort wird an einem Impfstoff gearbeitet, der den genetischen Code von Fragmenten verschiedener Coronaviren-Proteine enthält, nicht nur des Spike-Proteins. Die klinischen Tests sollen noch in diesem Jahr beginnen. Andrew Allen, Präsident von Gritstone, sagt: »Wir führen diese Entwicklungen durch, um für das schlimmste Szenario vorbereitet zu sein. Aber wir hoffen gleichzeitig, dass alles, was wir in diese Richtung tun, Zeitvergeudung sein wird.«

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