Das Lohngefälle bleibt hoch

Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt 4,16 Euro weniger pro Stunde als Männer

Es bleibt nicht mehr als ein Wunschtraum, dass die Kollegin, die eine vergleichbare Qualifikation und Erfahrung wie ihr Kollege hat, exakt die selbe Arbeit erledigt, gleich viel verdient wie dieser. Auch die miese Bezahlung von Berufen, in denen zum Großteil Frauen arbeiten, ist unverändert niedrig im Vergleich zu Berufen, in denen hauptsächlich Männer arbeiten. Der Gender Pay Gap, also die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, verringert sich in Deutschland seit Jahren kaum.

Das Statistische Bundesamt teilte am Dienstag mit, dass Frauen im Jahr 2020 durchschnittlich 18,62 Euro brutto pro Stunde verdienten, Männer hingegen 22,78 Euro. Das ist ein Unterschied von 18 Prozent. Der Gehaltsunterschied sank im Vergleich zum Jahr 2019 um einen Prozentpunkt. Laut Statistischem Bundesamt könnte dies allerdings an der im Jahr 2020 durch die Coronakrise stark gestiegenen Kurzarbeit liegen.

Von dieser sind mehr Männer als Frauen betroffen, da Frauen überdurchschnittlich häufig in Berufen arbeiten, in denen während der Pandemie keine Stunden reduziert wurden, etwa in Pflegeberufen. »Daher kann uns die aktuelle Zahl von 18 Prozent nicht optimistisch stimmen, sondern muss uns herausfordern, gerade jetzt in Sachen Entgeltgleichheit am Ball zu bleiben«, kommentierte die Vizevorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Elke Hannack, die Zahlen.

Zwischen den Jahren 2006 und 2015 war der Verdienstunterschied zwischen den Geschlechtern fast konstant, erst seit 2016 hat sich er sich verringert, allerdings nur sehr leicht. Dabei hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die Lohnlücke bis zum Jahr 2030 auf zehn Prozent zu senken.

Trotz der minimalen Verringerung des Lohnunterschiedes betrug die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern, auch Gender Pay Gap genannt, im vergangenen Jahr 4,16 Euro pro Stunde. Im Schnitt müssen Frauen in Deutschland also aktuell bis zum 10. März über das vorangegangene Jahr hinaus arbeiten, um das durchschnittliche Vorjahresgehalt ihrer Kollegen zu erreichen. Die Gründe für die Lohndifferenz sind vielfältig: Frauen arbeiten häufiger in Berufen, die schlecht bezahlt werden, zudem sind sie seltener in Führungspositionen als Männer. Hinzu kommt, dass Frauen immer noch viel häufiger nicht in Vollzeit arbeiten. Als Gründe dafür werden in Befragungen immer wieder die Betreuung von Kindern oder Pflegebedürftigen genannt.

In einer vergangene Woche veröffentlichten Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kommen die Studienautoren zu dem Ergebnis, dass Deutschland einen der höchsten Gender Pay Gaps in Europa aufweist. Katharina Wohlich, Leiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics des DIW schlussfolgerte, dass Deutschland gleichstellungspolitischen Nachholbedarf habe: »Maßnahmen wie die Ausweitung der Partnermonate beim Elterngeld, die Einführung einer Familienarbeitszeit, der Ausbau der Kinderbetreuung und eine Reform des Ehegattensplittings würden den Gender-Pay-Gap nachhaltig senken«, so Wohlich. Im europäischen Vergleich hat Deutschland laut der DIW-Analyse einen der höchsten Gender Pay Gaps. Daten von der europäischen Statistikbehörde Eurostat aus dem Jahr 2018 haben ergeben, dass Deutschland nur den drittletzten Platz von insgesamt 34 Ländern belegt hat. Neben dem unbereinigten Verdienstunterschied gibt es auch den bereinigten Gender Pay Gap. Dieser bezieht sich ausschließlich auf die Gehaltsunterschiede bei gleicher Tätigkeit und vergleichbarer Qualifikation. Auch bei diesem verdienen Frauen laut Statistischem Bundesamt noch sechs Prozent weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Die letzten hierzu vorhandenen Zahlen liegen jedoch nur für 2018 vor.

Bei dem unbereinigten Gender Pay Gap im Jahr 2020 gibt es laut der Veröffentlichung am Dienstag große Unterschiede zwischen den verschiedenen Branchen und Regionen. So fiel der durchschnittliche Gehaltsunterschied in Westdeutschland und Berlin mit 20 Prozent deutlich höher aus als in Ostdeutschland, wo Frauen nur sechs Prozent weniger verdient haben. Mit 31 Prozent den größten Lohnunterschied gab es im vergangenen Jahr in der Branche Kunst, Unterhaltung und Erholung. In freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen haben Frauen 27 Prozent, im Gesundheits- und Sozialwesen 24 Prozent weniger als Männer verdient. Den niedrigsten Gehaltsunterschied hat es mit zwei Prozent in den Bereichen Abwasser- und Abfallentsorgung sowie Beseitigung von Umweltverschmutzungen gegeben, gefolgt von Verkehr und Lagerei sowie Gastgewerbe. Auffallend ist laut dem Statistischen Bundesamt, dass das Verdienstgefälle im öffentlichen Bereich weniger stärker ausgeprägt ist als in privatwirtschaftlichen Unternehmen.

Anlässlich des in diesem Jahr auf den 10. März fallenden Equal Pay Day rufen Verbände, Gewerkschaften und Opposition die Bundesregierung auf, etwas gegen die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu unternehmen. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) weist etwa auf die Notwendigkeit einer höheren Bezahlung von Pflegeberufen hin. »Diese Tätigkeiten, die vor allem von Frauen geleistet werden, müssen gesellschaftlich aufgewertet und vor allem endlich gerecht entlohnt werden«, fordert SoVD-Bundesfrauensprecherin Jutta König. Dafür seien strukturelle Veränderungen unumgänglich. »Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die Politik muss hier endlich Verantwortung übernehmen und Lösungen präsentieren«, so König. Der Deutsche Frauenrat fordert, das Entgelttransparenzgesetz zu einem wirkungsvollen Lohngerechtigkeitsgesetz weiterzuentwickeln. Unternehmen müssten verpflichtet werden, Gehaltsstrukturen regelmäßig zu untersuchen, über diese zu berichten und aufgedeckte Entgeltungleichheiten zu beseitigen. Darüber hinaus müsse die Politik für »eine faire Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit und eine Aufwertung der sozialen Berufe sorgen«, so Susanne Kahl-Passoth, stellvertretende Vorsitzende des Frauenrats.

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