Europa setzt Pflöcke bei Lieferketten

Das EU-Parlament drängt auf die Einhaltung von Arbeits-, Sozial-, Umweltstandards durch Unternehmen. Deutschland darf dahinter nicht zurückbleiben

  • Anna Cavazzini
  • Lesedauer: 3 Min.

Lange hat die Große Koalition in Deutschland über ein Lieferkettengesetz gestritten. Heraus kam ein Minimalkompromiss der Bundesregierung. Wie so oft. Doch längst arbeitet die Europäische Union an einer Lösung, um Unternehmen entlang ihrer Lieferketten darauf zu verpflichten, Arbeits-, Sozial-, Umwelt- und Klimastandards sowie Menschenrechte einzuhalten. Schokolade, in der Kinderarbeit steckt. Mode mit Baumwolle, die von uigurischen Zwangsarbeiter*innen geerntet wurde. Das sind unhaltbare Zustände. Wir müssen Ausbeutung und moderne Sklaverei endlich nachhaltig beenden.

Europa macht bei einem ambitionierten Lieferkettengesetz entschieden Druck. Didier Reynders, EU-Kommissar für Justiz- und Verbraucherschutz, hat für diesen Juni einen entsprechenden Vorstoß für eine europäische Regelung angekündigt. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass der europäische Rechtsrahmen in wichtigen Punkten über die halbherzige Vereinbarung der Bundesregierung hinausgehen wird. Und nicht nur die EU-Kommission setzt sich für eine weitreichende Regelung ein. Vor allem das Europäische Parlament macht bei dem Gesetzesvorhaben mächtig Druck. Gerade haben die Parlamentarier*innen mit breiter Mehrheit einen entsprechenden Bericht verabschiedet - und zwar nicht nur mit den Stimmen von Abgeordneten der Linken, Sozialdemokraten und Grünen, sondern auch mit Unterstützung der Konservativen im Europaparlament.

Wo die Große Koalition zögerlich handelt, setzt Europa auf starke Standards. Nach den Vorschlägen des Europäischen Parlaments soll das europäische Lieferkettengesetz - anders als beim Vorschlag der Großen Koalition - nicht allein für Firmen, die in Europa ansässig sind, gelten, sondern auch für alle große Unternehmen, die auf dem europäischen Binnenmarkt Handel treiben. Zudem zielt das Europaparlament nicht allein auf Großkonzerne wie die Vorlage Bundesregierung. Denn Menschenrechtsprobleme in Lieferketten gibt es nicht erst ab einer bestimmten Firmengröße. Daher nimmt der Parlamentsvorstoß auch mittlere und kleinere Firmen in die Pflicht, wenn diese börsennotiert sind oder ein besonderes Risiko betreiben, etwa in der Textilindustrie. Weiterer entscheidender Unterschied der Initiative des Europäischen Parlaments im Vergleich zur geplanten Regelung der Großen Koalition in Berlin: Das europäische Lieferkettengesetz soll entlang der gesamten Lieferkette greifen. Niemand will T-Shirts, die in Bangladesch unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wurden.

Das Europäische Parlament setzt sich zudem auf grüne Initiative hin dafür ein, durch ein Importverbot Produkte vom Europäischen Binnenmarkt zu verbannen, die mit Zwangsarbeit hergestellt worden sind. Die USA und Kanada haben dafür bereits Instrumente in der Hand. Die Europäische Union darf dahinter nicht zurückfallen.

Deutschland und die Europäische Union haben jetzt die Chance, unternehmerische Verantwortung und Sorgfaltspflicht zum Standard für den Zugang zum Binnenmarkt zu machen und sich weltweit an die Spitze im Kampf gegen Zwangsarbeit und Kinderarbeit zu setzen. Deshalb müssen die entsprechenden Regelungen auch vor deutschen bzw. europäischen Zivilgerichten einklagbar sein, wenn ein Konzern die Vorgaben des Lieferkettengesetzes bei Klima- und Arbeits- und Menschenrechten umgeht. Ein Gericht in den Niederlanden hat dies gerade eindrucksvoll gezeigt und den Ölkonzern Shell für seine Umweltverbrechen in Nigeria zu Schadenersatz verpflichtet. Allerdings hat der ganze Prozess bis hin zur Abhilfe für die Opfer ganze 13 Jahre gedauert.

Europa kann Signale setzen. Der Europäische Binnenmarkt ist der größte Verbraucher*innenmarkt der Welt. Das verleiht Europa einen gewaltigen Einfluss. Bei den Produktionsverhältnissen entlang der Lieferketten, aber auch in den Handelsverträgen mit anderen Ländern. Wo die Große Koalition nur auf Deutschland als Exportnation schaut, setzen wir auf globale Verantwortung und die progressive Kraft unserer Verbraucher*innenmacht in der Welt. Im Kampf um Menschenrechte, um Arbeits- und Sozial-, sowie Klima- und Umweltstandards ist das auch eine Verpflichtung.

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