Trump-Putin-Gipfel: Viel geredet, wenig gesagt

Das Treffen der Präsidenten der USA und Russlands hat einen baldigen und gerechten Frieden in der Ukraine nicht wahrscheinlicher gemacht

Wladimir Putin und Donald Trump in Anchorage: Manchmal zeigt ein Bild, wer wem sagt, wo es lang geht.
Wladimir Putin und Donald Trump in Anchorage: Manchmal zeigt ein Bild, wer wem sagt, wo es lang geht.

Bei brisanten Treffen wie dem am Freitagabend zwischen Donald Trump und Wladimir Putin bleibt kein noch so kleines Detail dem Zufall überlassen. So hat auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow ganz gewiss nicht wahllos in den Kleiderschrank gegriffen, als er für die Anreise nach Anchorage ein Shirt mit der Aufschrift CCCP (UdSSR) aussuchte. Zur Sowjetunion, die Anfang der 90er Jahre zerfiel, gehörte die Ukraine; der Untergang der aus Moskau regierten Sowjetunion ist eines der bis heute wirkenden Traumata der russischen Politik, weil er mit Macht- und Gebietsverlust verbunden war.

Gemessen an den großen Erwartungen, mit denen der erste amerikanisch-russische Gipfel seit langer Zeit überfrachtet worden war, ist bemerkenswert wenig herausgekommen. Genau genommen: nichts. Denn wenn es etwas zu präsentieren gäbe, dann hätte es der selbsternannte Dealmaker Trump mitgeteilt. So besteht der einzige Wert dieses Treffens vorerst darin, dass es überhaupt stattgefunden hat. Dass wenigstens für ein paar Stunden direkt miteinander geredet wurde als übereinander.

Daran lässt sich anknüpfen, wobei man auch in Zukunft nicht zu viel erwarten sollte. Denn am Tisch saßen ein US-Präsident, der gerade die ganze Welt erpresst und in einen gigantischen Wirtschaftskrieg treibt, und ein russischer Präsident, der seit mehr als drei Jahren das Nachbarland mit Tod und Verwüstung überziehen lässt und offenbar noch lange nicht genug hat. Das ist kein Format, mit dem man heute Weltpolitik machen sollte. Die Zeiten, in denen die beiden mächtigsten Herrscher den Rest der Welt betrachten wie ihr Privateigentum, sollten vorbei sein. Eine tragfähige Lösung ohne die Ukraine ist ohnehin nicht denkbar. Und es wäre an der Zeit, dass auch einflussreiche Staaten und Bündnisse wie Brasilien, Indien, China, Japan und die EU sich selbstbewusster in die Suche nach einem Weg zu Frieden einmischen.

Ob demnächst in der Ukraine die Waffen schweigen, ist nach dem Treffen in Alaska völlig ungewiss. Es scheint es so, als wolle Trump die Beziehungen mit Russland auch ohne Waffenstillstand schrittweise normalisieren. Mehr Handel – das wäre ein Geschäft für die USA und ein Ausbruch aus der weitgehenden Isolation für Russland. Putin darf zu Recht darauf hoffen, mit der unverbindlichen Plauderei Trumps angeblich ultimative Drohung mit weiteren Strafmaßnahmen und Zöllen unterlaufen zu haben, von denen nun keine Rede mehr war.

Jedenfalls wurde in Anchorage nichts vereinbart, was einen Waffenstillstand greifbar machen würde. In der Nacht nach dem Treffen flogen wieder Drohnen und Raketen in beide Richtungen – mehr russische als ukrainische –, wenn auch in etwas geringerer Zahl als sonst so oft. Aber das muss nichts heißen, denn wer Putin genau zugehört hat, konnte erneut den russischen Anspruch auf die gesamte Ukraine heraushören. Ein Friedensvertrag, den Trump nun von den Kriegsparteien verlangt, kann aber nur dann dauerhaft, wenn die Sicherheitsinteressen beider Seiten angemessen berücksichtigt sind. Deshalb wäre es gut, wenn sich ihre beiden Präsidenten endlich zu ernsthaften Gesprächen treffen würden, wie in Alaska angedeutet.

Allerdings sind die Bedingungen ungleich verteilt. »Jetzt hängt es wirklich von Präsident Selenskyj ab«, ob eine Friedensvereinbarung gelingt, behauptete Trump. Und ergänzte damit die Äußerung Putins, die Ukraine und die Europäer sollten eine Friedenslösung nicht »durch Provokationen oder Intrigen« hintertreiben. Das alles ist in dieser Einseitigkeit eine bizarre Zusammenfassung der Konfliktlage in der Ukraine.

Um Gerechtigkeit geht es sowieso nicht, sondern darum, dass die Stärkeren sich durchsetzen. »Russland ist eine sehr große Macht, die Ukraine nicht«, gab Trump in Richtung Selenskyj zu bedenken, und wenn dieser Satz überhaupt eine Bedeutung haben kann, dann diese: Unterwerft euch endlich, damit Ruhe einkehrt. Darin schwingt ein Hauch von Neuaufteilung der Welt unter Großmächten mit, die mancher in drastischerer Form für diese Begegnung zwischen Trump und Putin befürchtet hatte.

Der Gebietsaustausch, von dem Trump vor dem Treffen gesprochen hatte, ist ohnehin eine Farce und wird Putin nur ein müdes Lächeln entlocken, denn er kostet ihn nichts. Die Rede ist – wenn es überhaupt dazu kommt – von einem Tauschhandel mit ukrainischen Territorien: mit solchen, die Russland schon besetzt hat, und solchen, die es gern noch hätte. Es ist so, als würde jemand dem Nachbarn alle Äpfel vom Baum stehlen und sie ihm dann zum Tausch gegen seine Birnen anbieten.

So bleibt die Erkenntnis, dass in der Ukraine so lange weiter getötet wird, bis Russland seine Ansprüche für befriedigt hält. Wann es so weit ist, kann oder will niemand sagen. Trumps großsprecherische Ankündigungen, den Ukraine-Krieg schnell zu beenden, sind endgültig zertrümmert. »Es gibt keinen Deal, bis es einen Deal gibt«, sagte er in Anchorage. Das wussten wir allerdings auch schon vor diesem merkwürdigen Gipfel.

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