- Berlin
- Corona und die Ökonomie
Bämm Pleite
Der Lockdown verschärft die ökonomische Lage - Grüne fordern Transformation
Die Coronakrise trifft Berlins Wirtschaft hart. Viele Branchen wie die Clubszene, die einst die internationale Strahlkraft der Stadt ausmachte, liegen Lockdown-bedingt komplett darnieder. »Wir erleben derzeit ein leises Sterben, wir werden ein lautes Sterben bekommen«, sagt Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK), die die Interessen der Gewerbetreibenden gegenüber Politik und Öffentlichkeit vertritt. Weil die Insolvenzantragspflicht bis mindestens zum 30. April dieses Jahres ausgesetzt bleibt, ist das ganze Ausmaß der bevorstehenden Pleiten aktuell noch gar nicht absehbar. Dass hierzulande nun erneut ein Lockdown über Ostern kommen soll, stößt bei den Wirtschaftsverbänden auf Unverständnis. »Der Politik fällt außer Verbieten und Schließen wenig ein, das ist für uns eine Katastrophe«, kritisiert die Präsidentin der Berliner IHK, Beatrice Kramm.
Die Zeiten, als sich die Soloselbstständigen und Kleinstunternehmer über schnell ausgezahlte Landeshilfen in der Coronakrise freuten, wie zu Beginn des ersten Lockdowns im Frühling 2020, sind lange vorbei. Insgesamt bescheinigen die Unternehmer, die sich an einer aktuellen Umfrage der IHK »zur Senatsperformance 2021« beteiligt haben, dem rot-rot-grünen Senat ein mieses Zeugnis. Fast 62 Prozent der 946 Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer bewerten demnach die Arbeit des Senats als »schlecht« oder »sehr schlecht«. IHK-Hauptgeschäftsführer Eder sagt: »Die Berliner Wirtschaft ist in hohem Maße unzufrieden mit der Senatspolitik.«
Mit Blick auf die im Herbst anstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus fordern die Wirtschaftsverbände deshalb einen wirtschaftsfreundlichen Kurswechsel. Um ihre Forderungen zu untermauern, hat die IHK dazu sogenannte Prüfsteine für die Parteien vorgelegt. Kernforderungen betreffen die Verwaltungsmodernisierung. Um die Digitalisierung voranzutreiben, sollen außerdem endlich die entsprechenden Prozesse strukturiert werden. »Diese Themen sind zentral, jetzt hier und gleich, diese dringlichen Fragen müssen jetzt schnell auf den Weg gebracht werden«, so IHK-Präsidentin Kramm.
Damit wichtige Entwicklungen wie die Digitalisierung nicht wieder in den Verantwortungsbereich verschiedener Senatsverwaltungen fallen, fordern die Unternehmer, dass ein in der Senatskanzlei angesiedelter »Chief Digital Officer« eingesetzt wird. »Wir fordern einen, der die Durchschlagskraft hat, diese Strukturen einzuführen, die für die Digitalisierung notwendig sind«, sagt Kramm. Dieser Digital-Verantwortliche soll nicht nur die Verwaltung auf Vordermann bringen für das Arbeiten im Homeoffice, sondern auch dafür sorgen, dass die digitalen Systeme vereinheitlicht werden und endlich eine digitale Infrastruktur auf die Beine gestellt wird, die diesen Namen verdient. Seit Beginn der Pandemie ist der Anteil der Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die von zu Hause arbeiten können, zwar von fünf auf 25 Prozent gestiegen. Wenn aber immer noch 75 Prozent nicht in den eigenen vier Wänden einsatzfähig sind, ist das aus Sicht der Unternehmerverbände schlecht.
Wie es nach der Pandemie wirtschaftlich wieder aufwärts gehen könnte, beschäftigt natürlich auch die Politik. Bei einer Veranstaltung der IHK am Dienstagmorgen erklärte die Spitzenkandidatin der Grünen, Bettina Jarasch: »Wir brauchen einen Neustart, einen richtigen Bämm!« Berlin müsse seine Stärken in die Waagschale werfen, wegen denen die Menschen früher in die Metropole kamen. Statt eines »Karnevals der Kulturen« müsse es 2022 einen ganzen »Sommer der Kulturen« mit Festivals und Veranstaltungen geben. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, wollen die Grünen die ökologische Transformation der Wirtschaft forcieren. »Die klimaneutrale Metropole kann ein Standortfaktor im internationalen Wettbewerb sein«, sagt Jarasch. Bereits jetzt zeige sich, so die Spitzenkandidatin der Grünen, dass die Krisenbilanz der Berliner Wirtschaft »gemischt« ausfalle. Während Dienstleistungsgewerbe, Veranstaltungsbranche und Gastronomie besonders getroffen wurden, gebe es auch Start-ups, die profitieren. Immerhin 80 Unternehmensansiedlungen mit 3000 Arbeitsplätzen konnte die Agentur Berlin Partner in der Coronakrise vermelden, so Jarasch.
Für einen wirklichen ökonomischen Neustart braucht es aus Sicht der Grünen aber mehr nachhaltige Investitionen. Auch die Digitalisierung will Jarasch zur »Chef*innen-Sache« machen - natürlich in einer Koalition unter Führung der Grünen und mit ihr als Regierender Bürgermeisterin.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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