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Flug wegen Corona annulliert: Ist ein Aufpreis für die Umbuchung gerechtfertigt?

Rund um das Fluggast- und Reiserecht

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  • Lesedauer: 4 Min.

So urteilte das Oberlandesgericht Köln (Az. 6 U 127/20). Im verhandelten Fall waren die für März und April 2020 geplanten Flüge zweier Passagiere annulliert und auf Juli und Dezember 2020 verlegt worden. Dafür verlangte die Lufthansa einen Aufpreis. Die Verbraucherzentrale NRW hatte vor dem Landgericht Köln erfolgreich gegen dieses Vorgehen geklagt. Das Unternehmen ging in Berufung und bekam mit OLG-Urteil vom 26. Februar 2021 Recht.

Demnach liegt kein Verstoß gegen die Bestimmungen der europäischen Fluggastrechte-Verordnung vor. Denn die Verordnung sei so auszulegen, dass ein eindeutiger zeitlicher Bezug zum ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes gefordert sei. Ein beliebiges kostenfreies Umbuchungsrecht außerhalb jeglichen Zusammenhangs mit der geplanten Reise, zum Beispiel auf einen Flug zu einer besonders teuren Reisezeit, solle gerade nicht gewährt werden. Das Urteil ist rechtskräftig.

Störung statthaft

Besucher öffentlicher Veranstaltungen müssen krankheitsbedingte Störungen durch Menschen mit Behinderung grundsätzlich hinnehmen. Dies geht aus einem Urteil des Landesozialgerichts Baden-Württemberg (Az. L 6 SB 3623/20) hervor. Demnach ist es mit dem Inklusionsgedanken nicht vereinbar, behinderte Menschen allein deshalb von öffentlichen Veranstaltungen gänzlich auszuschließen, weil diese Menschen sichtbar anders sind oder durch unwillkürliche Lautäußerungen auffallen. Die Allgemeinheit habe diese krankheitsbedingten Störungen zu akzeptieren, um einer Diskriminierung entgegenzuwirken. AFP/nd

Pauschalreise nach Ischia »wegen Corona« storniert

In dem Rechtsstreit ging es um einen Reiserücktritt »wegen Corona« im März 2020. Der Reiserücktritt war nach Ansicht des Gerichts nicht »übereilt«, so dass der Kunde kostenlos stornieren kann, was das Reiseunternehmen abgelehnt hatte.

Im Mai 2019 hatte Herr V. für 1786 Euro eine achttägige Pauschalreise im April 2020 für zwei Personen auf die italienische Insel Ischia gebucht. 325 Euro zahlte Herr V. an. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) konnte die Reiseveranstalterin bei einem Reiserücktritt von Kunden ausnahmsweise keine Stornogebühr (25 Prozent des Reisepreises) verlangen, wenn »unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände« am Urlaubsort die Reise oder die Anreise erheblich beeinträchtigen könnten.

Auf diese AGB-Klausel berief sich Kunde V., als er per E-Mail am 7. März 2020 vom Reisevertrag »aufgrund von außergewöhnlichen Umständen in Italien und meiner Erkrankung« zurücktrat. Er verlangte die Anzahlung zurück. Doch die Reiseveranstalterin war der Ansicht, ihr ständen aufgrund des Reiserücktritts 446,50 Euro Stornogebühr zu. Herr V. schulde ihr also noch 121,50 Euro.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main (Az. 32 C 2136/20) entschied den Streit zu Gunsten des Kunden. Wenn zu beurteilen sei, ob ein »außergewöhnlicher Umstand« vorlag, komme es ganz auf den Zeitpunkt des Reiserücktritts an. Bei einem »übereilten Reiserücktritt« falle in der Regel Stornogebühr an. Voreilig sei ein Rücktritt, wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar war, ob die Reise oder Anreise beeinträchtigt sein könnte. Im konkreten Fall sei das jedoch vorhersehbar gewesen - auch wenn das Auswärtige Amt für das Reisegebiet erst später eine Reisewarnung ausgesprochen habe.

Von Gesundheitsrisiken habe man am 7. März 2020 ohne Weiteres ausgehen können. Da sei das Gesundheitssystem in Norditalien tendenziell schon überlastet gewesen. Italien sei früh und besonders stark von der COVID-19-Pandemie betroffen gewesen, so das Gericht. Am 4. März 2020 habe die Regierung bekanntgegeben, im ganzen Land Schulen und Universitäten zunächst bis zum 15. März 2020 zu schließen. Schon am 9. März sei ganz Italien zur Sperrzone erklärt worden.

Vor diesem Hintergrund sei es nur folgerichtig, wenn Herr V. am 7. März 2020 von »außergewöhnlichen Umständen« in Italien und auf Ischia ausging, die seinen Urlaub und auch den Flug nach Neapel erheblich beeinträchtigen würden, zumal im März die Pandemie in Italien erst so richtig begonnen habe und jederzeit damit zu rechnen war, dass sich die Situation noch zuspitzen würde. Daher habe der Kunde die Reise kostenlos stornieren dürfen. Die Reiseveranstalterin müsse die Anzahlung zurücküberweisen.

Krank durch Ehekrise: Muss Versicherung zahlen?

Die Reiserücktrittsversicherung muss die Stornokosten nur erstatten, wenn der Krankheitsverlauf ganz exakt dargestellt wird.

Ein Mann hatte bei einem Reiseveranstalter einen Urlaub auf Mallorca für sich und seine Frau gebucht. Doch das Eheglück schien sich in den folgenden Monaten verflüchtigt zu haben. Daraufhin stornierte der Mann die Reise drei Tage vor Reisebeginn mit der Begründung: Er sei psychisch am Bodenzerstört. Seine Frau lasse sich scheiden und habe ihn von der Polizei aus der Wohnung werfen lassen.

Wegen der extrem kurzfristigen Absage berechnete der Reiseveranstalter dem Kunden Stornokosten von 75 Prozent des Reisepreises. Da sich die Reiserücktrittskostenversicherung weigerte, die Kosten zu erstatten, klagte der Mann auf Zahlung. Er habe die Reise aufgrund seines psychischen Zustands - posttraumatische Belastungsstörung - unmöglich antreten können.

Doch diese »Diagnose« war dem Amtsgericht Hamburg (Az. 923 C 134/19) zu unpräzise. Die Reiserücktrittsversicherung müsse Stornokosten ersetzen, wenn der Versicherte wegen einer unerwarteten, schweren Erkrankung eine Reise stornieren müsse. Damit das Gericht den Anspruch eines Versicherten beurteilen könne, müsse er oder sie allerdings den Krankheitsverlauf genau schildern. Das bedeute: Versicherte müssten angeben, welche konkreten Symptome wann vorlagen und wie intensiv sie waren. Wenn der Kläger nur pauschal behaupte, er sei fix und fertig gewesen, könne das Gericht nicht einschätzen, ob es für ihn objektiv unzumutbar gewesen sei, die Reise anzutreten. Nur dann müsse die Versicherung einspringen. OnlineUrteile.de

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