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Ostereier für die Kirchen

Pandemiebedingt sinken die Austritte, christliche Institutionen lassen sie sich aber weiter bezahlen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kirche profitiert symbolisch und finanziell von der Coronakrise. Zum einen stoppten die Lockdowns zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie den Mitgliederschwund. Zum anderen treiben die Landeskirchen weiterhin die Kirchenaustrittsgebühren mithilfe der Berliner Verwaltung ein. Das geht aus der Antwort der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung auf eine Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg (Linke) hervor, die »nd« exklusiv vorab vorliegt.

Austritt nur gegen Gebühr

Wer die christliche Kirche in der Region Berlin-Brandenburg verlassen will, der muss zahlen. Eingeführt in der letzten schwarz-roten Wahlperiode unter dem damaligen Regierenden Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) wird seit dem 2014 für die Bearbeitung von Kirchenaustritten eine Gebühr in Höhe von 30 Euro erhoben. Damals hatte das Berliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD und CDU, und gegen die Stimmen von Grünen, Linkspartei und Piratenpartei, ein Gesetz zur Einführung einer Verwaltungsgebühr für den Kirchenaustritt beschlossen.
Für Schlüsselburg weiterhin ein Unding. Auf insgesamt vier bezahlten Stellen sind innerhalb der Berliner Amtsgerichte Beamt*innen und Justizbeschäftigte mit dem Eintreiben der Kirchenaustrittsgebühr betraut, so die Antwort der Senatsverwaltung. »Wir sollten in der nächsten Wahlperiode darüber nachdenken, die Kirchenaustrittsgebühr wieder abzuschaffen. Wenn der Eintritt in eine Religionsgemeinschaft kostenfrei ist, sollte das auch für den Austritt gelten«, kommentiert Schlüsselburg den Umstand. Der rechtspolitische Sprecher seiner Fraktion möchte einen »Stein ins Wasser werfen, um zu schauen, welche Wellen das bringt«.

Ein Drittel weniger Austritte

Bei den Mitgliederzahlen hat die Pandemie eine Entwicklung gestoppt, die die Sprecherin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) noch vor einem Jahr als »schmerzlich« bezeichnet hatte. Denn seit Jahren kämpfen die Kirchen in Berlin und Brandenburg mit vielen Mitgliederaustritten. 2019 sei mit 15 999 Kirchenaustritten ein »negatives Rekordjahr« gewesen, hieß es von der EKBO kürzlich. 12 196 Abgänge hatte sie als mitgliederstärkste Kirche in der Region zuletzt 2019 zu verzeichnen (»nd« berichtete). Damit sank ihre Gesamtmitgliederzahl auf 534 036. 2016 waren es noch 611 800 Mitglieder. Die Katholische Kirche hatte noch vor einem Jahr 8719 Austritte für 2019 zu verzeichnen.
Für beide Kirchen ist 2020 die Zahl der Austritte erstmals deutlich gesunken. Die EKBO gab kürzlich an, dass sie im ersten Coronajahr 8282 Mitglieder durch Austritt verloren habe. Für das gesamte Gebiet der Landeskirche – also inklusive Brandenburg und Ostsachsen – rechnet die Landeskirche für 2020 mit etwa 10 500 Austritten (bei zuletzt insgesamt 890 000 Mitgliedern). Das Erzbistum der Römisch-Katholischen Kirche verlor 2020 in der Hauptstadt 6239 Mitglieder durch Kirchenaustritte. Auch bei der Jüdischen Gemeinde Berlins kam es zu 147 Austritten.

Wunsch nach nachgeholten Taufe

Insgesamt sind in der Region damit im vergangenen Jahr 14 698 Menschen aus den beiden großen Kirchen sowie der Jüdischen Gemeinde und anderen Religionsgemeinschaften ausgetreten. Das waren rund ein Drittel weniger (5800) als 2019 mit insgesamt 20 556 Austritten. Die Zahlen seien mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 heruntergegangen, die gleiche Entwicklung gab es zum Ende des Jahres mit dem zweiten Lockdown, so die EKBO.
Stark rückläufig war 2020 aber auch die Zahl der evangelischen Taufen. Sie sank im Berliner Stadtgebiet um knapp 1700 auf 1025, ein Rückgang um etwa 55 Prozent: 2019 gab es demnach landeskirchenweit 4838 Taufen, 2020 nur noch 2150. Alles seien aber nur vorläufige Zahlen. Eine mögliche Ursache sei, dass Taufen wegen der Pandemie nur eingeschränkt möglich waren, erklärte die Landeskirche, hofft hier aber auf »Nachholeffekte«.

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