Vom Smartphone zum Elektroauto

Chinas Hightech-Konzern Xiaomi will smarte Fortbewegungsmittel bauen

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.

Oft heißt es, dass Elektroautos immer mehr Smartphones auf Rädern ähneln. Dementsprechend ist die Zukunftsvision von Xiaomi-Gründer Lei Jun nur konsequent: »In den letzten zehn Jahren haben wir sehr gute Handys gemacht. Ich bin mir sicher, dass wir auch sehr gute Autos produzieren werden«, sagte der 51-jährige Unternehmer am letzten Dienstag in Peking. Lei sprach vor vollen Zuschauerrängen mit seiner für ihn typisch motivierenden Art: Elektroautos soll das letzte unternehmerische Großprojekt seines Lebens werden, so Lei Jun.

Zehn Milliarden RMB wird das Pekinger Tech-Imperium dafür in einer ersten Runde investieren, umgerechnet immerhin rund 1,3 Milliarden Euro. Auf die kommende Dekade werde man insgesamt zehn Milliarden Euro in die neue Geschäftssparte stecken. Weitere Details ließ Xiaomi-Gründer Lei in seiner Rede zwar aus, doch die Börsenhändler reagierten dennoch verhalten optimistisch: Am Tag der Ankündigung stiegen die Aktien der Chinesen um immerhin sechs Prozent. Nun ist es nicht so, dass die Branche für E-Mobilität noch auf einen weiteren Mitspieler gewartet hätte. Der Markt in der Volksrepublik ist ganz im Gegenteil durch die großzügigen Subventionen der Regierung bereits mehr als übersättigt. Der Großteil der weit über hundert Start-ups wird in den nächsten Jahren pleite gehen, noch ehe die ersten Elektroautos vom Fabrikband gegangen sind.

Doch Xiaomi hat trotz der zahlreichen Konkurrenz einen ganz entscheidenden Vorteil - nämlich einen hohen Markenwert. Im Ausland sind die Chinesen vor allem für ihre preiswerten Handys bekannt, gegen Ende 2020 stieg Xiaomi erstmals hinter Apple und Samsung zum weltweit drittgrößten Smartphone-Produzenten auf. I

m Heimatmarkt bietet Xiaomi zusätzlich so ziemlich alles an, was sich unter Tech-Spielereien vorstellen lässt - von smarten Klimaanlagen über Luftbefeuchter bis hin zu Staubsauger-Robotern. Doch das Unternehmen verkauft auch Laptops und Bluetooth-Lautsprecher. Wahrscheinlich, so heißt es unter Branchen-Insidern, wird Xiaomi nicht den Weg des US-Marktführers Tesla gehen und eigene Fabriken errichten. Die Produktion der Autos werden die Chinesen wohl auslagern und einem Partner überlassen, um sich voll und ganz auf die Softwareentwicklung zu konzentrieren.

Im weltweiten Vergleich hat die Regierung in Peking schon früh versucht, die Verbrennungsmotoren aus den stark verschmutzten Städten zu verbannen. Erst im März veröffentlichte die Münchner Unternehmensberatung Roland Berger ihren alljährlichen »E-Mobility Index« für 2021, der zum zweiten Mal in Folge von China angeführt wird - vor Deutschland und Frankreich. Jedes zweite Elektroauto fährt auf chinesischen Straßen, fast 70 Prozent der Batterieproduktion stammt aus dem Reich der Mitte. Das Ziel von Pekings Wirtschaftsplanern ist es, den Verkauf von Verbrennungsmotoren bis 2035 auslaufen zu lassen.

Chinas vielversprechendster Elektroauto-Hersteller ist ausgerechnet ein Konzern, der noch vor wenigen Monaten kurz vor der Pleite stand: Rund 2,7 Milliarden Dollar haben chinesische Staatsunternehmen aufgebracht, um »Nio« vor dem Aus zu retten. Dabei wird das Unternehmen mit Sitz in Shanghai von internationalen Medien nach wie vor als »Chinas Tesla-Jäger« betitelt.

Sein jüngst vorgestelltes Modell ET7 schafft es von null auf hundert in unter vier Sekunden. Bis Ende nächsten Jahres möchte Nio eine Batterie auf den Markt bringen, mit der man bis zu 1000 Kilometer weit fahren kann. Bislang hat das Unternehmen zwar noch nicht die schwarzen Zahlen erreicht, dennoch sind die in New York gehandelten Nio-Aktien im letzten Jahr um das 30-Fache gestiegen.

Ob Xiaomi mit seiner Elektroauto-Sparte eine ähnlich rasante Fahrt hinlegen wird, bleibt fraglich. Doch sein Heimatmarkt bietet dem Unternehmen zumindest eine vollentwickelte Wertschöpfungskette und eine kaufkräftige Mittelschicht von rund 400 Millionen Menschen. Zudem ist Xiaomi-Gründer Lei Jun Experte: Seit 2013 fährt er bereits ein Elektroauto, wie er in seiner Rede am Dienstag verrät - einen Tesla.

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