Ein Fluss verliert seine Lungen

Die Elbvertiefung ist nach zwei Jahren des Ausbaggerns weitgehend abgeschlossen

  • Reinhard Schwarz, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Für die einen war es die Elbvertiefung, für die anderen die Fahrrinnenanpassung. Gemeint ist das Ausbaggern der Elbe, um den aktuell größten Containerschiffen den Weg in den Hamburger Hafen zu bahnen. Im Jahr 2019 rückten die Schiffsbagger an. Jetzt ist das rund 800 Millionen Euro teure steuerfinanzierte Vorhaben weitgehend abgeschlossen worden. Der rot-grüne Senat in Hamburg vermeldete kürzlich, dass die Elbvertiefung geschafft sei. Im Mai folgt die erste Freigabe für die neuen Tiefgänge, voraussichtlich im zweiten Halbjahr kann die Schifffahrt dann die neue Tiefe vollständig nutzen.

Fast 20 Jahre wurde um die Elbvertiefung - so die Bezeichnung der Kritiker - gestritten, mit harten Bandagen, bis vor das Bundesverwaltungsgericht. Dieses gab im Jahr 2017 grundsätzlich grünes Licht für die Fahrrinnenanpassung - so der Sprachgebrauch der Befürworter. »Das Vorhaben ist planerisch gerechtfertigt, die Planfeststellungsbehörden durften angesichts der Entwicklung der Schiffsgrößen von einem entsprechenden Verkehrsbedarf ausgehen«, heißt es in einer Presseerklärung des Gerichts mit Sitz in Leipzig. Auch die Umwelt werde nicht übermäßig geschädigt, befanden die Leipziger Richter: »Erhebliche Beeinträchtigungen weiterer geschützter Arten, etwa der Finte (Heringsart, d. Red.) oder von Brutvögeln, haben die Planfeststellungsbehörden zu Recht verneint.«

Doch worum geht es eigentlich? Die neueste und bisher größte Generation der Containerschiffe könnte aufgrund ihres Tiefgangs den Hamburger Hafen nicht mehr erreichen. Die Riesenpötte würden stecken bleiben beziehungsweise Hamburg gar nicht erst anlaufen. Das ist ein erheblicher Wettbewerbsnachteil für die Hansestadt. Deshalb forderten Wirtschaftsverbände das erneute Ausbaggern des Stroms. So wurde zwischen dem Elbstädtchen Wedel im Kreis Pinneberg und der Störmündung die Fahrrinne von 300 auf 320 Meter verbreitert.

Weiterhin wurde eine sogenannte Begegnungsbox »gebaut«. Diese habe eine Länge von acht Kilometern sowie eine Breite von 385 Metern und soll den »Gegenverkehr von bis zu vier großen Containerschiffen pro Tide« ermöglichen, heißt es in einer Erklärung des Bundesverkehrsministeriums von 2019.

Drittes Ziel war die Vertiefung der Fahrrinne, sodass »Containerschiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Metern tideunabhängig«, also bei Ebbe und Flut, den Hafen erreichen könnten. Schiffsriesen mit einem Tiefgang von bis zu 14,50 Metern könnten »tideabhängig«, also nur bei Flut, im Hafen einlaufen. Dadurch, so die Hoffnung, könne die Hansestadt im Vergleich zu Rotterdam und Antwerpen mithalten. Kritiker forderten hingegen, Hamburg solle mit dem Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port und mit Bremerhaven kooperieren, statt mit diesen zu konkurrieren.

Gegen die Pläne von Bundesregierung und Hansestadt zogen die Umweltverbände WWF, Nabu und BUND, die sich zum Aktionsbündnis Lebendige Tideelbe zusammenschlossen, vor Gericht. Unterstützung kam unter anderem von der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, aber auch Anrainergemeinden warnten vor dem Projekt. In einem »Hintergrundpapier« von 2016 schreiben Autoren des BUND: »Die Elbe wurde in der Vergangenheit bereits acht Mal vertieft, mit erheblichen negativen Auswirkungen auf den Naturhaushalt.« Und: »Schon die Folgen der letzten Vertiefung von 1999 wurden erheblich unterschätzt, beispielsweise die starke Verschlickung der Elbeseitenräume.«

Durch die erneute Vertiefung würden die Seitenarme der Elbe zunehmend verlanden, während sich gleichzeitig die Strömungsgeschwindigkeit in der Fahrrinne erhöhe, so die Verfasser der Studie: »Mit jeder Vertiefung hat der Umfang an Flachwasserbereichen erheblich abgenommen. Verbunden ist damit ein Verlust von Laich-, Aufwuchs-, Ruhe- und Rückzugsplätzen für Fische sowie der Verlust von lichtdurchfluteten Bereichen, in denen Sauerstoff produziert wird. Der Fluss verliert förmlich seine Lungen.«

Norbert Hackbusch, hafenpolitischer Sprecher der Hamburger Linksfraktion, betonte in einer Mitteilung, dass die Elbvertiefung ökologisch äußerst fragwürdig und sehr teuer gewesen sei. »Aber dafür versprachen Senat und Hafenwirtschaft mehr Umschlag und Arbeitsplätze. Doch dieses Versprechen war augenscheinlich falsch«, so Hackbusch. Senat und Hafenwirtschaft formulierten schon ein neues großes Ziel: Jetzt sollen die Arbeitsplätze und die Löhne im Hafen reduziert werden.

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