Selbstverteidigungsministerium

Eine vierstündige Sondersitzung reichte bislang nicht aus, um die Munitionsamnestie beim KSK aufzuklären

Schwein gehabt, dürfte es im Frühjahr 2020 bei einigen Soldat*innen der Bundeswehr-Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte KSK geheißen haben, als sich ihr Kommandeur General Markus Kreitmayr auf die Suche nach verschwundener Munition machte. Kreitmayr war in seiner Einheit auf erhebliche Missstände bei der Munitionsverwaltung gestoßen und sicherte bei Rückgabe der Munition Straffreiheit zu. Peinlich: Am Ende war mehr Munition gefunden worden, als vermisst wurde.

Was die Verteidigungsministerin von der Amnestie wusste, konnte der Verteidigungsausschuss auch nach vierstündiger Sondersitzung am vergangenen Montag nicht klären. Eine weitere Sitzung ist für Mai 2021 vorgesehen. »Die Ministerin wurde von ihrem eigenen Ministerium nach ihren Aussagen über einen zweifelsohne wichtigen strafrelevanten Vorgang nicht informiert«, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Tobias Pflüger, und konstatierte: »Die Ministerin hat also ihr Ministerium nicht im Griff.«

Es zählt wohl zu den ersten und wichtigsten Grundsätzen, die Bundeswehrsoldat*innen lernen, dass der Diebstahl von Waffen und Munition strafrechtlich geahndet wird. Beim KSK wurde jedoch genau das durch die Munitionsamnestie unterbunden. Bis Ende April 2020 wurde Soldat*innen offenbar Straffreiheit gewährt, wenn sie widerrechtlich gehortete Munition zurückgaben. Diese Ankündigung erwies sich als zweckmäßig, denn sie führte zur Rückgabe von mehreren zehntausend Schuss Munition. Mehr, als letztlich vermisst wurde. Dass die Amnestie kaum rechtmäßig gewesen sein kann, wissen insbesondere die Staatsbürger*innen, die einst die Bundeswehruniform trugen und schon beim Verlust von einzelnen Patronen empfindliche Strafen erhielten. Sonderregeln für Elitekämpfer gibt es nicht. Das zeigte auch der Fall des kürzlich verurteilten KSK-Soldaten Philip S., der wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilt wurde.

»Bei der Aufklärung der Skandale stoßen wir auf immer neue Skandale«, fasst Pflüger die mittlerweile fast ein Jahr andauernden Ermittlungen zusammen. »Es ist bezeichnend, wenn es für die Ministerin nach der vierstündigen Sitzung ein Erfolg ist, sagen zu können, nicht der Lüge überführt worden zu sein«, sagt Tobias Linder, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen. »Wenn ihr Generalinspekteur und ihr Staatssekretär tatsächlich monatelang von der rechtswidrigen Munitionsamnestie wussten und die Ministerin nicht informiert haben, dann hat Kramp-Karrenbauer ihr Haus nicht im Griff«. Die Ministerin müsse »reinen Tisch machen und aufhören, nur scheibchenweise das nicht mehr Dementierbare zuzugeben«, so Lindner gegenüber dem »nd«.

»Den jetzigen Zustand möchten wir uns nicht gefallen lassen. Wir werden zur Aufklärung auch auf weitere institutionelle Hilfe zurückgreifen - auf die Wehrbeauftragte und die Staatsanwaltschaften«, kündigte Alexander Müller (FDP) an.

Im Verhalten der Ministerin will CDU-Parteikollege Henning Otte nur das Beste sehen. »Es ist gut, dass das Verteidigungsministerium die im Raum stehenden Vorwürfe transparent aufzuklären versucht«, teilte Otte auf »nd«-Anfrage mit. Er machte zugleich klar, dass für das KSK keine Sonderregeln beim Umgang mit Munition gelten dürften.

»Diese Ministerin und dieses Ministerium sehen das KSK auf einem guten Weg. Den sehe ich nicht«, kommentiert Tobias Pflüger die Entwicklung der Einheit. Dem Verteidigungsministerium ist derweil wichtig, die Ministerin so präzise wie nur möglich wiederzugeben. So habe Kramp-Karrenbauer zwar im Juni 2020 von der Munitionsrückgabe erfahren, von der Amnestie, die Kreitmayr gewährte allerdings erst im Januar 2021. Die Ministerin wird im Mai erklären müssen, warum sie auf Meldungen, dass großen Mengen an Munition zunächst verschwunden waren, dann aber wiedergefunden wurden, niemand mit strafrechtlichen Ermittlungen reagierte.

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