Montenegro schuldet China viel Geld für eine kostspielige Autobahn

Die Europäische Union will nicht für einen Kredit geradestehen, den die Regierung in Podgorica 2014 bei einer chinesischen Bank aufgenommen hat

  • Roland Zschächner
  • Lesedauer: 3 Min.

Montenegro steht in der Kreide, doch kann nicht zahlen. Die Regierung in Podgorica hat die Europäische Kommission gebeten, einen 2014 aufgenommen Kredit über eine Milliarde US-Dollar (830 Millionen Euro) bei der staatlichen chinesischen Export-Import-Bank (Exim) zu refinanzieren, da dieser im Juli fällig wird. Der Eingang eines solchen Ersuchens wurde am Donnerstag in Brüssel bestätigt. Große Hoffnungen kann sich das kleine Balkanland mit EU-Kandidatenstatus indes nicht machen. Bereits am Montag hatte Kommissionssprecher Peter Stano erklärt, man werde Podgorica nicht aus der Klemme helfen. »Die EU ist für Montenegro der größte Geber von Finanzhilfen, der größte Investor und Handelspartner«, sagt Stano, »aber wir zahlen nicht die Darlehen zurück, die von Dritten entgegengenommen werden«.

Vor knapp sieben Jahren hatte die damalige Regierung von Milo Djukanovic bei Exim den Kredit aufgenommen, um ein riesiges Bauprojekt zu finanzieren: die geplante Autobahn von der Adriastadt Bar bis nach Boljare im Nordosten des Lands. Damals fanden sich außer der chinesischen Staatsbank keine anderen Investoren für die 170 Kilometer lange Schnellstraße, die noch weiter bis nach Belgrad verlängert und durch die später erhobenen Gebühren finanziert werden soll.

Doch all dies ist Zukunftsmusik. Den Bauauftrag hat die montenegrinische Regierung an das chinesische Unternehmen China Road and Bridge Corporation vergeben, doch die Arbeiten kommen nur schleppend voran, trotz einer horrenden Bausumme: ein Autobahnkilometer kostet 21 Millionen Euro - die teuerste Schnellstraße Europas. Erheblichen Schaden genommen hat bereits jetzt das Tal der Tara, durch das die Autobahn führen soll. Dieses Gebiet ist nicht nur als Unesco-Welterbe ausgewiesen, sondern auch ein nationales Naturschutzgebiet. Umweltschützer und Bewohner der Region wehren sich schon seit Langem erfolglos gegen das Projekt.

Der Grund für das Bauvorhaben und die finanzielle Klemme, in der Podgorica gerade steckt, ist derselbe: Das Land hat in den vergangenen Jahren auf den Tourismus als Entwicklungsmotor gesetzt. Unter Djukanovic, der seit mehr als 30 Jahren zwischen dem Posten als Premier und Präsident wechselt, wurden ausländische Investoren angelockt, die vor allem an der Küste einen Hotelkomplex nach dem anderen aus dem Boden stampften. Dies war auch eine ideale Quelle, um die eigene Tasche und die der Getreuen zu füllen. Doch mit der Coronapandemie ging der Fremdenverkehr um 84 Prozent zurück. Das Wachstum der Vorjahre war jäh beendet, eine tiefe Rezession die Folge. Das Bruttoinlandsprodukt brach 2020 um 15 Prozent ein. Verstärkt wurde dies dadurch, dass in dem 620 000 Einwohner zählenden Land der Euro das offizielle Zahlungsmittel ist. Die Regierung in Podgorica konnte sich so jeder eigenständigen Geldpolitik entledigen.

Im vergangenen August geschah in Montenegro etwas Unerwartetes: Bei der Wahl konnte die bisherige Opposition die seit Jahrzehnten regierende Demokratische Partei der Sozialisten (DPS) von der Macht verdrängen. Teuer ist jedoch das Erbe der DPS, die im Grunde nur der politische Deckmantel der mafiösen Geschäfte Djukanovics ist. Westliche Kommentatoren unken bereits, Podgorica stecke nun in der chinesischen Schuldenfalle. Könne die neue Regierung den Kreditverpflichtungen nicht nachkommen, müsse sie Peking Zugang zu seinem Hoheitsgebiet einräumen. So stehe es zumindest in den Verträgen. Ob es dazu kommt, ist fraglich. China hat sich in der Vergangenheit oftmals zu Kompromissen gegenüber seinen säumigen Gläubigern bereiterklärt. Trotzdem steckt Brüssel in einer Zwickmühle. Wenn die EU-Kommission, wie von Stano angekündigt, das von Berlin diktierte Paradigma umgesetzt, jedes Land müsse für seine eigenen Schulden zahlen, läuft Brüssel damit Gefahr, dass ein Beitrittskandidat enger an die Volksrepublik gebunden wird. Für Montenegro, das sich im Dezember erneut 750 Millionen Euro auf den internationalen Finanzmärkten geliehen hat, dürfte das Bittgesuch an die EU hingegen ein verzweifelter Versuch sein, die geopolitische Auseinandersetzung um den Balkan für sich auszunutzen.

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