Ausgangssperre aufgeweicht

Koalition plant Korrekturen beim Bevölkerungsschutzgesetz

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Berlin. Auch nach Inkrafttreten der sogenannten Notbremse gegen die dritte Corona-Welle sollen die Menschen in Deutschland abends das Haus verlassen dürfen. Die Fraktionen von Union und SPD wollen den Gesetzentwurf der Bundesregierung entsprechend ändern, wie Abgeordnete am Montag nach Beratungen in Berlin mitteilten. Ausgangsbeschränkungen soll es nun von 22 Uhr bis 5 Uhr geben - eine Stunde später als zunächst geplant. Spaziergänge sollen bis Mitternacht erlaubt bleiben. Das Gesetz könnte schon in wenigen Tagen in Kraft treten, der Bundestag wird am Mittwoch darüber abstimmen, der Bundesrat am Donnerstag.

Im Einzelhandel soll dem Gesetzentwurf zufolge das Abholen bestellter Waren auch bei hohen Infektionszahlen weiterhin möglich sein. Für Schulen wäre Distanzunterricht ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 verpflichtend. Im ursprünglichen Entwurf war ein Schwellenwert von 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen genannt. Für Kinder im Alter bis 14 Jahren soll Sport in Gruppen weiterhin möglich sein. Alle Regelungen sind zunächst bis zum 30. Juni befristet.

Ziel des Bevölkerungsschutzgesetzes ist es, Einschränkungen des öffentlichen Lebens bundesweit einheitlich zu regeln: Falls die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Stadt oder einem Landkreis drei Tage hintereinander über 100 liegt, sollen jeweils die gleichen Regeln gelten. Dies ist den Konferenzen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Regierungschefs zuletzt nicht mehr gelungen. Die Länder haben teils unterschiedliche Regelungen umgesetzt.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, für ihn sei entscheidend, auf drei Lebensbereiche mit den Maßnahmen einzuwirken. Das seien Betriebe, Kitas und Schulen sowie »vor allem den Bereich der privaten Kontakte«. Die Länder rief er dazu auf, zuvor schon Beschränkungen zu erlassen. »Niemand muss auf dieses Gesetz warten«, sagte er. »Es ist ja eine Notbremse. Idealerweise wurde vorher schon gebremst.«

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak (CDU), sagte: »Die Bundesregierung wird ermächtigt, eine Rechtsverordnung zu erlassen, die Geimpften und Getesteten wieder mehr Freiheiten einräumt.« Dies sei »verfassungsrechtlich zwingend und muss daher sehr zeitnah erfolgen«.

Neu ist zudem, dass die Bundesregierung keine Verordnungen zur Eindämmung der Pandemie am Parlament vorbei erlassen kann. »Der Bundestag muss zustimmen. Ohne jedwede Vorbehalte oder Bedingungen«, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Das sei für seine Fraktion in den Verhandlungen mit der Union der entscheidende Punkt gewesen.

Sein Fraktionskollege Karl Lauterbach bemängelte allerdings gegenüber der »Welt«: »Mit den Aufweichungen der Kontaktbeschränkungen würden sie etwa 50 Prozent ihrer Wirkung verlieren im Vergleich zu einer Ausgangsbeschränkung ab 20 Uhr«. Damit werde die Dauer des Lockdowns verlängert, »und es sterben leider auch vermeidbare Opfer«.

Kritik kam auch von der Opposition. Die Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sagte, ihre Partei stehe zu einer bundeseinheitlichen Pandemiebekämpfung. Die Vorlage der Koalition sei aber »zu lasch und zu einseitig«. Insbesondere die Wirtschaft werde nicht genug herangezogen.

FDP-Fraktionsvizevorsitzende Katja Suding bezeichnete die vorgesehenen Schulschließungen als »fatales Signal« an Kinder und Eltern. »Mit Luftfiltergeräten, Masken und bestenfalls täglichen Tests kann sicherer Präsenzunterricht stattfinden«, befand sie. Agenturen/nd

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