Keine Witzbeschwerden

Am 1. Mai besteht das Dresdner Kabarett »Herkuleskeule« durchgängig seit 60 Jahren

  • F.B. Habel
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein Vierteljahrhundert lang war der Name des 1936 als Spanienkämpfer gefallenen bayerischen Kommunisten Hans Beimler für viele Menschen in Dresden und Umgebung ein Synonym für befreiendes Lachen. Denn am Hans-Beimler-Platz, zuvor und danach Sternplatz, befand sich von 1965 bis 2017 das republikweit geschätzte Kabarett »Herkuleskeule«, nach der Berliner »Distel« und der Leipziger »Pfeffermühle« das dritte ortsfeste Kabarett-Theater der DDR. Der Rat der Stadt rief es in Übereinstimmung mit der SED-Bezirksleitung ins Leben. Dass mit dem Rundfunkredakteur und Amateurkabarettisten Manfred Schubert kein Genosse, sondern ein Mitglied der Blockpartei NDPD gefunden wurde, war schlitzohrig. Einerseits wurde dem immer noch bürgerlich geprägten Geist der einstigen sächsischen Residenz Rechnung getragen, andererseits hatte man mit dem Parteifreund einen idealen Sündenbock, falls die Programme zu kritisch ausfallen sollten.

Schon seit 1954 hatte es einen Vorläufer dieses Kabaretts gegeben. Spaßvogel Otto Stark, damals Schauspieler am Staatsschauspiel, gründete nebenbei mit seiner Frau Ilse Maybrid ein Kabarettensemble, das er »Herkuleskeule« und - nach Ausscheiden von Mitstreitern - bescheiden »Herkuleskeulchen« nannte. Gedacht haben mag er da an den Herkules, der in der Französischen Revolution die Macht des Volkes symbolisierte.

Nach zwei Jahren Pause erschien nun die wirkliche »Herkuleskeule« am 1. Mai 1961 mit ihrem ersten Programm »Keine Witzbeschwerden« auf der Bildfläche. Noch im ersten Jahr stiegen mit Hans Glauche und der Anfang diesen Jahres verstorbenen Gisela Grube zwei Komödianten ein, die sich schnell zu Publikumslieblingen entwickelten. Die Neugründung fiel allerdings in eine politisch schwierige Zeit. Satire sollte die Entwicklung des Sozialismus positiv begleiten und nur gegen den Klassenfeind im Westen frech sein. So kam es, dass die Dresdner Zuschauer die Kabarettreihen - damals noch in der Ruine einer Reformierten Kirche - nur spärlich füllten. Erst Mitte der sechziger Jahre wurden die Texte beißfester, und bald gab es lange Listen von Kartenvorbestellungen.

Seit der Spielzeit 1969/70 verstärkte der ehemalige Lehrer Wolfgang Schaller das Ensemble als Dramaturg und Autor. Schon 1965 wurde in der Revue »Die gläserne Q« (in Anspielung aufs Hygienemuseum) bei der »Herkuleskeule« erfolgreich begonnen, von Nummernprogrammen zu durchgehenden Stücken mit rotem Faden zu wechseln. Dies trieb Schaller weiter, und vor allem im Team mit Peter Ensikat schaffte er es, erfolgreiche Kabarettstücke auf die Bühne zu bringen. In den achtziger Jahren entstanden revueartige Programme wie »Bürger, schützt eure Anlagen oder Wem die Mütze paßt«, »Aus dem Leben eines Taugewas«, »Auf dich kommt es an, nicht auf alle« und »Überlebenszeit«. Wolfgang Schaller avancierte 1988 zum künstlerischen Leiter des Ensembles. Viele Programme, die Schaller und Ensikat für die »Herkuleskeule« entwickelt hatten, wurden von anderen Klein- und Großkunstbühnen der DDR übernommen - von 108 Inszenierungen ist die Rede. Dafür war es in den Massenmedien nicht so gut um das Kabarett bestellt. Nur alle paar Jahre wurden Ausschnitte aus Herkules-Programmen im Fernsehen gesendet oder auf Platten verewigt. Doch es gab solistische Auftritte der Ensemblemitglieder. Noch bevor Wolfgang Stumph Ende der achtziger Jahre neben Kammersänger Gunther Emmerlich in der »Showkolade« des DFF zum Publikumsliebling wurde, waren schon Fritz Ehlert und Hans Glauche mit ihrer Sketchreihe um Gustav & Erich in Unterhaltungssendungen unverzichtbar. Wie sie mit Bauernschläue am Stammtisch sozialistische Phrasen auf Alltagstauglichkeit überprüften, macht die in den achtziger Jahren verstorbenen Kabarettisten bis heute legendär. Glauche erntete darüberhinaus in der »Herkuleskeule« mit seiner Solo-Serie »Einzelfahrscheine« Lachstürme. Der »Spiegel« schrieb damals: »Er könnte einen Leitartikel aus dem ND vortragen - die Leute würden sich totachen!« Wahrscheinlich hatte der Klassenfeind hier recht.

Gastspiele führten die »Herkuleskeule« in andere deutschsprachige Länder, sogar nach Bayern, nur in Berlin wollte es nicht klappen. Gab es ein Berlin-Verbot? Vermutlich trug Otto Stark, inzwischen schon lange Direktor der »Distel«, ein kleines Herkuleskeulchen in der Tasche, um sich die unliebsame Konkurrenz, die sich frecher und gesellschaftskritischer zeigte, vom Leibe zu halten.

Die Beliebtheit der Kabarettisten, unter ihnen Birgit Schaller, Brigitte Heinrich, Rainer Bursche, Michael Rümmler und Detlef Nier und die politische Situation mit den nicht überall blühenden Landschaften, machten es der »Herkuleskeule« leicht, nach der Privatisierung unbeschadet weiterzumachen. Trotzdem war es eine Herkules-Aufgabe, dass Wolfgang Schaller die Geschicke des Hauses auch noch zum Umzug in den Kulturpalast leitete. Inzwischen hat er ein großes Stück Verantwortung an seinen Sohn Philipp übergeben, der als Kabarettist und Autor bundesweit bekannt ist. Er überlässt dem Vater schon mal eine Regiearbeit und gibt sich optimistisch, dass auch sein neues Programm bald vor richtigen Menschen aufgeführt werden kann.

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